Von Matthias Bosenick (10.04.2025)
„Hör zu und verlieb dich“, steht bei Spotify, wenn man nach „Hvis Jeg Nogensinde Dør“ sucht, dem neuen Album von The Sandmen, einer der dänischen Rock-Institutionen. Man sollte es aber trotzdem lieber auf Vinyl erwerben! Dies dürfte das zehnte Album in 40 Jahren sein, ganz sicher das fünfte seit der Reunion und das dritte auf Dänisch statt Englisch. Es setzt den neuen Weg fort, den klassischen Bluesrock zu modernisieren, ihm melancholische Noten zu verleihen, auf gewöhnliche Strukturen zu verzichten und einfach zu machen, worauf die Band Bock hat. Das hört man und das kommt genau richtig. Zum Beispiel mit Synthies und Saxophon.
Als Blues mit synthetischen Drums und Mundharmonika beginnt der erste Song, „Ved du hvem jeg er“. Das Stück lässt sich sieben Minuten Zeit, um sich aufzubauen, um einen hypnotischen Sog zu entwickeln, um die Musik zu intensivieren, dem Drumcomputer einen echten Schlagzeuger an die Seite zu stellen etwa, und dazu immer wieder zu fragen: „Weißt du, wer ich bin?“ Klar: The Sandmen, 1985 in Kopenhagen gegründet, 1987 mit einem Mini-Album gestartet, 1988 in Dänemark, 1989 in den USA mit „Western Blood“ auf Albumlänge auf sich aufmerksam gemacht, 1991 mit dem übernächsten Album „Sleepyhead“ und dem Riesenhit „Five Minutes Past Loneliness“ auf Augenhöhe mit den Cowboyrock-Landsleuten D-A-D ins Bewusstsein der Hörerschaft gespielt, nach dem Nachfolgealbum „In The House Of Secrets“ Mitte der Neunziger getrennt und 2006 mit „White Trash Red Front“ und einem überraschend neuen Sound reaktiviert. Der tanzbare Indierock der Nuller hatte Einfluss auf den neuen Sound, der sich in „Shine“ 2008 fortsetzte und zu einer weiteren Unterbrechung führte. Aus der die Band 2014 mit „Den bedste dag“ deutlich abgedunkelt und mit neuem Elan hervorging, der hoffentlich noch lang anhält. Damit gehören The Sandmen in die sehr kurze Liste der Bands, die nach einer Reunion relevante neue Alben veröffentlichten.
Zu denen gehört auch das neue, und auf Position zwei folgt das Titellied „Hvis jeg nogensinde dør“, also „Wenn ich jemals sterbe“. Das beginnt reduziert mit Akustikgitarre und dem Sound einer Hammond-Orgel, geht dann plötzlich in einen waschechten 1990er-Madchester-Rhythmus über und endet als Indierock-Kopfnicker mit begleitenden Synthieflächen. Noch mehr auf die Tanzfläche drückt „Sparker til det hele“, ungefähr „Auf die Tube drücken“, also „Beschleunigen“, und genau das macht der Song, mit zum Zappeln einladenden Shakern, Synthies zum Rock und mächtigem Groove. Zuletzt begleitet ein Frauenchor kurz den Hauptgesang und das Saxophonsolo.
Auf der B-Seite erinnert der Titel „Gi mig gi mig“ an das offizielle Debüt „Gimme Gimme“, der Song selbst nur so halb: Bluesrock ja, amtliches Gegniedel ebenso, aber hier leicht synthetisch unterfüttert, also ein Bisschen wie ZZ Top in den Achtzigern, aber so dreckig wie ZZ Top in den Siebzigern. Plus Saxophon am Ende. Anschließend wird die Band „Aben“, „Offen“, für mehr Tempo. Dieses ist der schnellste Song des Albums, bleibt zunächst im Bluesschema, bekommt abermals einen milderen Refrain mit melodischer Synthieunterstützung, ohne abzubremsen, und verwechselt über Spielzeit auch nicht Tempo mit Härte, auch wenn er rockt – Energie versprüht der Song trotzdem mächtig. Zum Abschluss gibt‘s mit „Svaneflugt“, „Schwanenflug“, eine Ballade. Die beginnt so vertraut, dass man noch denkt: Huch, wie banal! Und dann steigert sich die Band hinein, intensiviert das Spiel, beginnt zu gniedeln, singt wie beim Gospel, fährt alle Regler hoch und fuzzt, mostet, dronet den Song ins folkig geflötete Chill-Out-Finale.
Sechs Songs, 33 Minuten, man könnte enttäuscht sein, wenn man rein nach Statistik geht, aber das tun nur Hörer ohne Seele, denn die bekommt hier ihre Streicheleinheiten. Das Melancholische der Vorgängeralben schüttelt die Band glücklicherweise nicht vollständig ab, prägt aber jeden einzelnen der sechs neuen Songs mit einem eigenen Charakter aus, der diese Melancholie unterschiedlich stark transportiert. Das geht auch, während man ausgelassen tanzt oder den Kopf zum Bluesrock schüttelt. Wie gut, dass diese Band ihrem Bestehen neue Chancen gab – es wäre der Welt etwas entgangen.
Seit 40 Jahren dabei sind nur noch zwei: Sänger Allan Vegenfeldt und Schlagzeuger Michael Illo Rasmussen. Gitarrist Stefan Moulvard ist seit der Reunion in den Nullern fester Bestandteil der Band, also auch schon ungefähr deren halbe Existenz lang; er war bereits Teil von Nerve, der Band, die einige Sandmänner nach dem Split in den Neunzigern gegründet hatten. Als fester Leih-Bassist ist Jens Hein seit der 2917er Record-Store-Day-Single „Alle fangerne“ zu hören, einem Cover der Punkband Before, in der Rasmussen vor The Sandmen trommelte. Gäste sind auf „Hvis jeg nogensinde dør“ noch der Bluesgitarrist und Mundharmonikaspieler Jarno Varsted sowie Saxophonist Ned Ferm.
Zwar gibt es „Hvis jeg nogensinde dør“ auch auf CD, aber seit die Band auf Dänisch singt, sind auch die Vinyl-Varianten der Alben von großem Interesse. Dieses hier gibt es in so vielen verschiedenen Farben und Melangen, dass man gar nicht weiß, welche man am liebsten auf seinen Plattenteller legen würde. Des Rezensenten wärmster Dank geht da an Band-Promoter Ronnie Bjørn Høegh, der für ihn eine vortreffliche Auswahl traf!