Von Matthias Bosenick (11.08.2025)
Dem Rezensenten waren The Jesus Lizard jahrzehntelang eine Lücke in der Sammlung, die umso lärmender klaffte, als die Band im vergangenen Jahr nach Jahrzehnten Pause plötzlich mit dem siebten Studioalbum „Rack“ wieder auf der Agenda erschien. Zum jüngsten Record Store Day kompilierte Mike Pattons Label Ipecac drei nicht auf dem Album enthaltene Digital-Singles zur 12“-EP „Flux“ mit Etching auf der B-Seite. Überteuert natürlich, wie alles beim RSD, aber geil: Noiserock mit angeschrägten Akkorden und keinem Bock auf Konventionen – wozu auch, nach all den Jahren. Ein wunderbarer Anlass, die Lücke zu stopfen zu beginnen.
Powerchords bestimmen In- und Outro von „Cost Of Living“, leicht angeschrägt, wie es sich gehört, wenn man nicht einfach stinknormalen Rock’n’Roll machen will, sondern diesen mit eigener Duftmarke aufbwechen. Und das, obwohl der Grundrhythmus dem von Buddy Holly entliehen ist. Im Hauptteil reduziert die Band die Power und lässt zu einem beinahe harmonischen Teil sogar einen Hintergrundchor zu.
Dagegen nimmt sich „Westside“ gar als Headbanger aus, zumindest vom Tempo her. Auch hier bekommen die Akkorde eine gewisse Schräglage, während sie sich zu Riffs formieren. Den Mittelteil gestaltet die Band mit aus dem Waverock vertrauten Gitarreneffekten, eingebettet ins Schlagzeuggeschepper, bevor das Rauhe wieder den Ton angibt.
Mit palm muted angeschlagenen, unverzerrten Akkorden beginnt „I’m Tired Of Being Your Mother“, ein schleppender Downtempo-Kopfnicker, der im Verlauf noch an Intensität gewinnt, ohne zunächst den Verzerrer zu überlasten, das kommt erst noch, zumindest kurz. Hier generiert die Band eine unterschwellige Brutalität, indem sie die Energie herausnimmt und so die Erwartungen auf den neuerlichen Ausbruch schürt – ohne sie zu erfüllen. Brutal!
Mit „Rack“ und „Flux“ begehen The Jesus Lizard, die auf dem Wasser laufende Eidechse, die man hierzulande als Basilisken kennt, was auch ein schöner Bandname wäre, ihre bereits zweite Revitalisierung. 1998 erschien mit „Blue“ das letzte Studioalbum vor dem ersten Split, die erste Reunion erfuhr 2011 mit dem Live-Album „Club“ eine nachträgliche Würdigung, jetzt ging’s für das Quartett auch endlich wieder ins Studio, was die Fangemeinde jubeln ließ, vermutlich ähnlich schräg wie die Gitarren hier. Erfreulicherweise blieb die Besetzung relativ stabil: Seit 1987 dabei sind Sänger David Yow, Gitarrist Duane Denison und Bassist David Wm. Sims, lediglich der Schlagzeugposten wechselte gelegentlich, obschon mit Mac McNeilly der erste Drummer – der indes erst kurz vor dem Debüt „Head“, also nach der EP „Pure“ hinzukam – seit der ersten Reunion wieder fest im Sattel sitzt.
Die drei Songs dieser 12“ nahm das Quartett in einem Rutsch auf, Ipecac veröffentlichte sie aber zwischen November 2024 und März 2025 einzeln. Da die drei Songs zusammen keine neun Minuten auf die Uhr bringen, empfiehlt es sich, sie komplett auf die A-Seite zu packen und die B-Seite einfach mit einem Etching zu versehen, das die vier Buchstaben F, L, U und X hübsch verziert um das Label herumgruppiert zeigt. Irgendwas muss den exorbitant überhöhten Preis ja rechtfertigen.