Von Matthias Bosenick (04.04.2018)
Schwieriges Unterfangen: einem totalitären Regime mit Humor begegnen zu wollen, um die systemimmanenten Untiefen herauszuarbeiten und die Beweggründe der Machtbesessenen bloßzustellen. „The Death Of Stalin“ ist zwiespältig geraten: Einerseits bildet er solche lebensbedrohlichen Machtkonstellationen anschaulich ab, andererseits bleibt der Humor zwischen Slapstick und erwartbaren Zwangsläufigkeiten stecken. Kein Film, den man gesehen haben muss, aber auch keiner, bei dem es schadet.
Anschaulich gelingen die Ringelreihen, in denen sich Stalins zweite Riege ihre persönlichen Vorteile zu sichern hofft. Zu Lebzeiten des Massenmörders kadertreu, entblößen sie nach Stalins Tod einerseits ihre Abscheu, andererseits ihre tief sitzende Furcht vor dem tödlichen System. Es ist sehr spannend, zu sehen, wie hochrangige Arschlöcher ihre Ränke schmieden und bisweilen nicht wissen, wie sie sich offiziell verhalten sollen. Vermutlich ist diese Machtkonstellation auf so ziemlich jedes andere System übertragbar; man kennt es aus Politik und Wirtschaft: Schlägt man ein Arschloch ab, wachsen drei neue nach. Blöd für die Beteiligten ist, wenn sie Fallen aufstellen, in die sie bei einer Kräfteverschiebung selbst hineinfallen; an diese Möglichkeit denken solche Gewaltmenschen nicht, das geschieht maximal den anderen, und die Schadenfreude ist groß bei jedem, den es dann doch erwischt, was aber leider nie genug sind, siehe Hybris. Es hat einen gewissen Unterhaltungswert, das Politbüro dabei zu beobachten, sich gleichzeitig in Linientreue und Reformwillen überbieten zu wollen, je nach Vorteil.
Mit dem Rest des Films verhält es sich hingegen kompliziert. Wie auch bei Kriegsfilmen üblich, resultiert Spannung hier lediglich aus dem Umstand der Unberechenbarkeit; im Krieg ist alles erlaubt, in einem solchen Regime auch, das kennt man aus der Deutschen Geschichte. Jeder Tod ist also willkürlich, damit nicht logisch und auch nicht die Folge eines Spannungsbogens. Ebenso entstehen die Bündnisse nicht zum Wohle des Volkes, sondern zum persönlichen Vorteil. Nachteil für den Zuschauer ist, dass er sich deshalb mit keinem Protagonisten verbünden mag. Das Mehrfachschachspiel ist zwar anschaulich, der Ausgang ist einem aber egal.
Höchstens die Schauspieler sorgen für einige Zuneigung, weniger jedoch die Figuren, die sie spielen: Michael Palin, vor 50 Jahren noch bei Monty Python, spielt Wjatscheslaw Molotow, Steve Buscemi Nikita Chruschtschow und Simon Russell Beale auf eine besonders überzeugende Weise den übelsten Vorteilsnehmer Lawrenti Beria. Seiner Figur wohnt der geringste Slapstick inne; Jeffrey Tambor etwa gibt Stalins Stellvertreter Georgi Malenkow, als wäre er Mitglied der Addams Family. Eine Grundkrux ist zudem, dass man den Darstellern die Russen nicht abnimmt.
In diesem Zusammenhang wirken menschenverachtende Maßnahmen, wie Internierungen, Tötungen, Bedrohungen, nicht wie das, was sie sind, sondern gehen unter. Das liegt auch daran, dass sich Regisseur Armando Iannuci nicht genügend Zeit nimmt. Er huscht an den Geschehnissen vorbei. Das betrifft nicht nur das Böse, sondern auch manche Pointe. Eigentlich gibt es nur zwei Gags, die wirklich zünden, weil sie unerwartbar sind und ihren Zündstoff nicht allein daraus beziehen, dass ein Reigen von Massenmördern sich seltsam benimmt: den mit der Lampe und den mit der falschen Tür. Inkonsequent ist Iannuci auch darin, das Russische zuzulassen: Schilder zeigt er in lateinischer Schrift, das stört den Fluss und die Verortung der Geschehnisse. Das nächste Problem hat der synchron: Santiago Ziesmer als Stimme von Buscemi passt nicht zu einer Figur wie Chruschtschow. Soll er doch als Steve Urkel oder Spongebob nerven.
Ein Film also, der Machtgerangel als absurd entlarvt und mit guten Schauspielern punktet, sich im Witz allerdings verrennt und wenig Identifikationepotenzial mitbringt. Ein Film also, den man schneller wieder vergisst, als einem lieb ist.