The Cure – Mixes Of A Lost World – Polydor/Fiction Records 2025

Von Matthias Bosenick (19.06.2025)

Sensationell brachen The Cure im vergangenen Jahr mit dem mittelmäßigen Gothic-Rock-Album „Songs Of A Lost World“ sämtliche Rekorde, und weil das nicht reicht, bringen sie es nach der regulären, der instrumentalen (warum überhaupt – der Gesang ist doch die einzige Konstante bei The Cure?!) und der live eingespielten Version nun als viertes geremixt neu heraus. 24 elektronische Bearbeitungen in zweieinhalb Stunden, dargereicht von Helden und Unbekannten – zumindest in der limitierten Version, regulär sind es nämlich acht weniger, und zwar die besseren acht. Das verstehe, wer will. Das Schöne am Streaming ist ja, dass man sich seine Lieblingsmixe selbst herauspicken kann. 24 Stück sind das jedenfalls nicht.

Es ist absolut unklar, warum man die Version mit nur zwei CDs oder LPs überhaupt kaufen sollte. Okay, die Bonus-Mixe sind grob im Ambient gehalten, also nicht tanzbar, dafür kommen sie aber von den interessanteren Acts und sind auch im Schnitt am besten geraten. Die meisten der regulären Sammlung gehen in irgendwelche Berliner Clubs, auf den Rummel oder zurück in die Achtziger, und nicht selten möchte man gar nicht mitgehen. Es wirkt zudem, als habe ein Teil der Mixenden zu großen Respekt vor The Cure – und ein anderer Teil nicht genug. Zur Hälfte des zweiten Tonträgers stellt sich dann auch eine Ermüdung ein: schon wieder Bummbumm, schon wieder Clubmusik, schon wieder Robert Smiths Gesang in artfremdem Umfeld. Was ja nicht stimmt, er sang ja selbst schon für Electro-Artisten, etwa „Da Hype“ für Junior Jack.

Remixsammlungen von The Cure gab’s auch schon, „Mixed Up“, den Nachfolger „Torn Down“ sowie die „Hypnagogic States EP“, die fünf Songs des bis dato letzten Studioalbums „4:13 Dream“ in Neufassungen brachte. Mit einer personellen Überschneidung zu dieser hier, nämlich 65daysofstatic. Bleibt die Frage nach der fünften Variante der „Songs Of A Lost World“: Stoner-Doom-Sludge-Covers! Das wäre angemessen.

Die Remixe in Kurzform:

I Can Never Say Goodbye (Paul Oakenfold „Cinematic“ Remix)
Tatsächlich wie der Titel des Remixes: Hollywood-Bombast, so kitschig wie möglich. Leider nix von den Dance- und Bigbeat-Spielereien, die der Brite Paul Oakenfold ansonsten so gut beherrscht. Stimmungsvoller Einstieg, nicht gleich auf die Fresse, aber auch nicht besonders toll. Mit Tribal-Drums, die den Kleister emporheben. Klingt nicht elektronisch.

Endsong (Orbital Remix)
Passender Übergang, minutenlang Electro-Spielereien ohne Beat, der setzt erst nach mehr als einem Drittel ein, geht spontan und schlicht über in den Song, der jetzt synthetisch umgesetzt ist. Einige technoide Synthie-Effekte, sonst Downbeat-Kopfnicker, immer noch kein flotter Dance, das hätte man von Orbital, also den Hartnoll-Brüdern aus England, ebenfalls anders erwartet. Die Gitarre fügt sich aber schön ein in den neuen Sound.

Drone:Nodrone (Daniel Avery Remix)
Rhythmus wie bei Milli Vanilli oder Enigma, nur vom Britischen DJ Daniel Avery moderner produziert. Der fuzzy Bass kommt gut. Robert Smiths Art zu singen lässt den Song in dem Gewand schier in den Hip Hop rücken. Atmosphärische Instrumente erst nach der Hälfte kurz und gegen Ende, wenn das Stück nochmal etwas aufdreht. Erstaunlich energetisch jetzt.

All I Ever Am (Meera Remix)
Erster Technobeat des Albums, installiert von Meera Bertelsen aus Norwegen. Tuckert vor sich hin, unaufgeregt und entspannend. Irgendwelche Atmosphären im Hintergrund, chillig, kurz davor, die Idee von Acid House aufkommen zu lassen. Stimme nach einem Drittel verschlumpft, nur kurz mal zu hören, erinnert an David Lynch zu Zeiten von „Crazy Clown Time“. Auf zwei Tönen hüpfendes minimales Keyboard tritt hinzu. Nett.

A Fragile Thing (Âme Remix)
Reduziert housiger Beat geht weiter, Smith singt wieder ohne Manipulationen. Abgehackte Sounds, clubby Hihat, Shaker, klingt clownesk, nach Autoscooter. Zwischendrin Verlangsamung wie bei „French Kiss“ von Lil Louis, nur ohne Stöhnen, naja, fast, Smiths Gesang erfährt hier dann schon so seine Bearbeitungen. Fährt clownesk fort. Âme sind Kristian Beyer und Frank Wiedemann aus Berlin.

And Nothing Is Forever (Danny Briottet & Rico Conning Remix)
Puff, paff, puff, paff. Willkommen im Club. Nice Samples, darunter Smiths Stimme, also der reguläre Gesang. Sonniger Popsong jetzt. Paar Drumfills, Zischsounds wie aus der Großraumdisco, groovende Achtziger-Bassline. Unaufgeregt. Und das von Helden: Danny Briottet aus London, Dubmeister von Renegade Soundwave, und Rico Conning aus Kalifornien, versierter Mixer von Depeche Mode, Erasure und mehr.

Warsong (Daybreakers Remix)
Die Bassdrum kickt, das Tempo zieht an. Ebenfalls clubby, kurzer Drop mit Handclaps, dann legt Smith los, der Technomix ebenfalls, und wiederum hört man die Großraumdisco-Zischsounds. Und das Pizzicato von Faithless, mit dem man den Club zur Kathedrale machen kann. Plus Abgeh-Synthie für die Clubgänger kurz vor den letzten 32 Takten. Können auch 64 sein. Die Daybreakers sind Ric Scott und Alex Sowyrda aus Kanada.

Alone (Four Tet Remix)
Dieser Beat kommt housig-schnell und zerbrochen daher, clubby, mit sphärischen Sounds dahinter. Interessanter Kontrast, da die Beats eher billo wirken, in Kombination mit dem, was der Song noch so hergibt, ist das Gesamtding aber irgendwie schön, weil Kieran Hebden als Four Tet die Samples gewinnbringend einsetzt. Plus Smiths Gesang, der kommt dann auch noch. Dennoch, mit schöneren Beats wäre der Mix noch besser geworden.

CD2

I Can Never Say Goodbye (Mental Overdrive Remix)
Wir hängen irgendwo auf einer Baleareninsel am Strand herum und winken fröhlich dem Sonnenuntergang zu. Die vertraute Klaviermelodie passt plötzlich zum Chillout, da knarzt die Gitarre dazu und verändert das Bild etwas. Something wicked this way comes, singt Smith, und meint dieses Mal diese Version hier vom Norweger Per Martinsen alias Mental Overdrive, denn die Lounge und der Song gehen überraschend eine schlüssige Einheit ein. Zuletzt wird der Track auch noch dubbig.

And Nothing Is Forever (Cosmodelica Electric Eden Remix)
Die Erasure aus den Achtzigern nehmen sich diesen Song vor, könnte man meinen, dabei ist es Colleen Murphy aus London, hier als Cosmodelica, mit Hilfe der Hot-Chip-Kumpel Al Doyle und Joe Goddard. Typischer Achtziger-Synthie-Disco-Basslauf, zunächst etwas moderner klingende, bald an alte Kraftwerk oder OMD erinnernde Synthiedrums, klimperndes Melodie-Sample, Smiths Gesang anfangs nur auszugsweise eingebaut, bald flächiger Hintergrund, der manipulierten Gitarre entnommen. Gut gelaunter Radiopop wie vor 40 Jahren, nun mit dem regulären Gesang. Und Streichern, gegen Ende, die das Stück ins Epische erheben.

A Fragile Thing (Sally C Remix)
Zurück in den Club mit der Berlinerin Sally C, leichter radiotauglicher Neunziger-Beat, den bisweilen die Gitarre des Originalsongs garniert. Überwiegend Billo-Beats zu minimalem Klavier und Smiths Stimme. Die Passagen mit der Gitarre sind die besten, das gab’s so in den Clubs eher nicht. Plätschert so vor sich hin.

Endsong (Gregor Tresher Remix)
Gesang mit Trance-Beat und Synthie-Atmosphären. Die in den Hintergrund gedrängte Gitarre lässt gelegentlich ahnen, woher das Stück eigentlich kommt, aber deutlich soll das hier erst zum Schluss hin herauskommen, das kann man im Club ja wegblenden, dabei wird der Mix erst dann interessant, je mehr aus dem Original hier einfließt. Angefertigt von Gregor Trescher alias Tresher aus Frankfurt am Main.

Warsong (Omid 16B Remix)
Trockener chilliger Breakbeat, trockene Sounds. Smiths Gesang ist so zerhuscht, dass er sich in die atmosphärische Hintergrundtapete einfügt. Je länger der Mix dauert, desto mehr gewinnt er an Energie, was sich auch in den verhärteteren Drums ausdrückt. Omid 16B heißt eigentlich Omid Lourizadeh und ist ein in London arbeitender DJ aus dem Iran.

Drone:Nodrone (Anja Schneider Remix)
Die Beats der Berlinerin Anja Schneider gehen wieder auf den Floor. Percussive und andere Spielereien eingebaut, begleitet den Song, der gelegentlich durchschimmern darf, während die Beats pluckern. Smith darf gegen Ende mal gesanglich ordentlich aufdrehen, da freut sich der Kirmesbeschaller über diese Wandlung.

Alone (Shanti Celeste „February Blues“ Remix)
Von wegen Februardepression, das hier ist Uptempo-Bummbumm. Hätten Stock-Aitken-Waterman kaum anders gemacht, wenn auch nicht so modern produziert. Beatloser Mittelteil mit psychedelischen und leicht kreischigen Effekten, danach geht’s mit Beat so weiter. Der Teil ist dann auch das Beste an dem Mix von Shanti Celeste Cotapos Maass aus Chile, die in London arbeitet.

All I Ever Am (Mura Masa Remix)
Ohne Beats, nur Gesang mit Synthieflächen. So das Intro. Dann geht der Dancetrack los, Smith wird von Alexander George Edward Crossan alias Mura Masa aus Guernsey zerhackt. Der gelegentlich gedroppte Snaresound klingt angenehm organisch. Bald wieder normal Gesang plus Beats, inklusive Break und Rückkehr zum Dancetrack. Bei weggenommenen Synthies zwischendurch sehr trocken. Gegen Ende kombinieren sich die Elemente einigermaßen schlüssig, also Dance, Samples und Song.

CD3

I Can Never Say Goodbye (Craven Faults Rework)
Ambient, komplett reduziert, leichte Melodieschwankungen, dezente Samples, kein Gesang. Erst kurz vor Schluss die Ahnung von Rhythmus, von Beat gar. Dunkle Entspannung vom Electro-Projekt Craven Faults aus Yorkshire.

Drone:Nodrone (JoyCut „Anti-Gravitational“ Remix)
Gelungener Übergang, denn auch, wenn Smith wieder singen darf, bleibt es im beatlosen Ambient, also wahrhaftig ohne Gravitation, bis sich die Band JoyCut aus Bologna erbarmt und unter aller aufgebotenen Dramatik – den Wumms großspurig andeutet, aber nicht einsetzt. Brutal, weil nicht brutal. Es bleibt dabei: Musikalisches Drama, ständig ist was los, aber komplett ohne Beat.

And Nothing Is Forever (Trentemøller Rework)
Der Kopenhagener Anders Trentemøller macht es mal wieder anders, als man es erwartet: Kennt man seine höchst kreativen, stimmungsvollen, brillanten Remixe für die Pet Shop Boys, Depeche Mode, Moby, Bruce Springsteen oder andere Größen, nimmt er bei The Cure den Club komplett heraus. Sein Ansatz: Den Song entkernen und neu stricken, wie sich Trentemøller einen Song von The Cure vorstellt. Und zwar so: auch eher sphärisch, bisschen Bombast drin, synthetisch, chillig. Mag man nicht richtig zustimmen, dass das typisch wie The Cure sein soll. Der Ansatz zeugt wohl von viel zu viel Respekt.

Warsong (Chino Moreno Remix)
Auch dieser Remix klingt nicht nach seiner Quelle: Es bleibt im Ambient, im Sphärischen, im Opulenten, garniert mit lediglich einem reduzierten dunklen Klickern als Taktgeber, dazu Smiths Gesang. Schade, etwas Härte von den Deftones hätte Chino Moreno hier durchaus unterbringen dürfen.

Alone (Ex-Easter Island Head Remix)
Und es geht sogar noch reduzierter: Smith singt in einer leeren Halle, es gibt so gut wie gar keine Musik, lediglich seine Stimme generiert elektronische Echos, die verzerrt nachhallen. So interessant wie diese Version ist auch das Ensemble, das den Mix anfertigte: Ex-Easter Island Head kommen aus Liverpool und manipulieren Sounds von liegenden E-Gitarren.

All I Ever Am (65daysofstatic Remix)
Abermals Ambient, klavierbasiert, dramatisch, eingefügte Drums nicht als Takt, sondern als Effekt. Erst am Schluss durchgehend. Aber längst nicht so, wie man es von den Sheffieldern 65daysofstatic erwartet hätte; einmal mehr scheint hier die Ehrfurcht über die Experimentierfreude zu überwiegen.

A Fragile Thing (The Twilight Sad Remix)
Erster Song mit Schlagzeug auf dem dritten Tonträger! Ein fuzzy Bass, der seinen Weg bahnt. Opulenter dunkler Pop, noch am ehesten nach Art von The Cure auf dieser Sammlung. Hier kommt der Post Punk der Bearbeitenden wohl am deutlichsten durch: The Twilight Sad aus Schottland bleiben mit ihrer Version relativ nahe bei sich.

Endsong (Mogwai Remix)
Voll schön, mit chilligen Ambient-Drums zwischendurch. Dieser Endsong ist flirrender Post Rock, voll mit Bombast und Epik und Opulenz, außerdem endlos, wie es sich für einen Endsong gehört. Die Schotten Mogwai spielen alles aus, was sie haben, und lassen diese Sammlung fulminant enden.