Von Matthias Bosenick (22.03.2023)
Der betäubte Diamant! Das bislang ausschließlich live in Erscheinung getretene Quintett The Black Cat’s Eye debütiert mit einem Studioalbum, dessen Name sperriger ist als seine Musik: „The Empty Space Between A Seamount And Shock-Headed Julia“ will psychedelische Rockmusik sein, bedient sich aber vornehmlich bei den mild proggenden Pink Floyd rund um „Comfortably Numb“ und „Shine On You Crazy Diamond“. Das machen sie ausgezeichnet, die Jungs aus Frankfurt am Main, sie fügen die Zutaten einer progressiven Rockmusik handwerklich passabel zusammen, nur: Sie fügen dem fast nichts hinzu, das man dort nicht ohnehin erwartet. Psychedelisch ist es zwar auch nicht so richtig, aber trotzdem angenehm für die Ohren.
Da will unbedingt „Progrock“ auf dem Etikett kleben. Es geht schon damit los, dass es gar nicht losgeht: Der Opener, der auf Vinyl die komplette A-Seite einnimmt, ist ein zwanzigminütiges Instrumentalstück, das auf gelungen angelegten Pfaden die Stimmung wechselt. Ein chilliges Klimperintro zieht sich eine Weile hin, bis die Band auf- und losbricht und sich auf eine bestens zusammengestellte musikalische Reise begibt. „Kill The Sun And The Moon And The Stars“ heißt das gute Stück und verspricht mehr Tod, als die Musik liefert: Es ist alles sehr angenehm zu hören, und wer sich schon mal mit progressiver Musik auseinandergesetzt hat, findet sich schnell darin zurecht.
Auch in denen der B-Seite, die mit „Katla“ ebenfalls instrumental beginnt, und in dem Stück bekommt die Gitarre mal einen sägenden Tonfall, also eine leichte Härte, die das Album sonst eher nicht birgt. Erst im „Winter Song“ tritt der Sänger ans Mikrofon, und wenn man fast eine halbe Stunde Instrumentalmusik einer für einen selbst neuen Band hinter sich hat, empfindet man diesen Moment als die größte Überraschung des Albums, kombiniert mit dem Einsatz von Flöten, die das Stück in Richtung Fairport Convention schieben, also psychedelisch gedachten Folk-Rock der ausgehenden Sechziger. Im Titel sperriger als in der Musik ist auch „In My Dreams The Wind Chases Away The Clouds“, und der Rausschmeißer mit dem noch sperrigeren Titel „Lostlostlostlostlostlostlost“ schließt das Album mit einer weiteren kleinen Überraschung ab: Das Stück ist Popmusik, richtig schön mit der Snare als Taktgeber, mit einer ins Ohr gehenden Melodie, mit weiblichem Backinggesang und wohligwarm instrumentiert, wie überhaupt das ganze Album.
So richtig dringt es beim Hören nicht hervor, dass hier gleich drei der fünf Musiker Gitarren spielen. Sie generieren damit eher Schichten als Dynamik, und in den spacigsten Momenten erinnert das dann an Spiritualized, nur ohne so wunderbar versponnen zu sein. The Black Cat’s Eye bleiben gefällig, sie überfordern den klassischen Progrockhörer nicht und fordern den Neuling nicht heraus. Dabei sind sie musikalisch ausgesprochen versiert und kompositorisch mächtig einfallsreich, da hätte durchaus mehr Arsch in der Hose sein dürfen.
So richtig ein Debüt ist dieses Album übrigens nicht: Vor vier Jahren brachte das Quintett die live mitgeschnittene und deutlich schärfer angebratene „The Black Cat’s Eye EP“ heraus, die mit drei Stücken eine halbe Stunde lang ist und somit strukturell schon mal den Prog bedient. Keines dieser Stücke formulierte die Band überdies fürs Album neu aus. Zudem haben alle fünf Bandmitglieder bereits eine Reihe an Erfahrungen auf dem Zettel: Sänger Christian Blaser etwa studierte klassische und Jazz-Gitarre, als Gitarrist steht er seit fast 20 Jahren dem Hamburger Musiker Robert Carl Blank zur Seite. Bei The Black Cat’s Eye spielt er neben Gitarren auch Keyboards. Ebenso wie er ist auch Gitarrist Wolfgang Schönecker hauptberuflich Musiklehrer; letzterer spielt außerdem bei der Alternative-Rock-Band Electric Elbow sowie in der Band des Ex-Söhne-Mannheims-Singersongwriters Tino Oac. Klassisch ist der Zettel des dritten Gitarristen Steffen Ahrens ausgerichtet: Er ist unter anderem Mitglied im Ensemble Modern Orchestra sowie in diversen weiteren Ensembles und spielte auf modernklassischen Alben von Heiner Goebbels und Vera Mohrs mit. Der klassisch studierte Gitarrist war vor The Black Cat’s Eye in einigen Bands Mitglied, ist eine Hälfte des Duos Leise Dröhnung und kommt ansonsten mit Konzertreisen weit in der Welt herum. Angst vor Clowns war eine der Bands, in denen E-Bassist Jens Cappel zuvor spielte, weitete heißen Bugman, Nackt und Vital Beach. Ebenfalls studiert und Musikschullehrer ist Schlagzeuger Stefan Schulz-Anker, und Genregrenzen kennt er auch nicht: Er spielte von Jazz über Reggae und Funk auch in Orchestern sowie als Begleiter des Autoren Dirk Hülstrunk mit HUM-Gitarrist Harri Gottschalk, da schließen sich Kreise.
„The Empty Space Between A Seamount And Shock-Headed Julia“ ist geil, aber es geht noch geiler,wie ja die EP belegt. So ist es vielmehr ein niedrigschwelliges Preaching to the converted, als dass es deren Horizonte mit neuen Ideen erweitert. Da steckt mehr in dem Quintett als dies, und das nächste Album darf das gern unter Beweis stellen.