Teho Teardo & Blixa Bargeld – Christian & Mauro – Spècula 2024

Von Matthias Bosenick (02.01.2025)

Wer hätte das 2013 gedacht, dass die Zusammenarbeit von Einstürzende-Neubauten-Stimme Blixa Bargeld und Meathead-Musiker Teho Teardo zu mittlerweile drei Studio- und einem Live-Album sowie diversen EPs führen würde? „Christian & Mauro“, benannt nach den realen Vornamen der beiden Protagonisten, stellt das dritte Studioalbum dar, und es wäre ein Jammer, hätte man darauf verzichten müssen. Neoklassisch-kammerartig instrumentiert, darf Bargeld seine trilingualen Betrachtungen und Wortspiele zu den zugänglichen Sounds von Teardo streuen. Industrial, dem beide Ur- bis Haupt-Bands zuzurechnen sind, findet man hier kein Bisschen. Avantgarde bleibt das natürlich trotzdem, nicht nur gemessen am Radiopop. Und schön zu hören ist es!

Die Streicher sind so schön warm! Vor der Schönheit dieser Musik kann man sich nur auf die Knie werfen. Was nicht nur an der Instrumentierung liegt, und die ist üppig, aber dezidiert eingesetzt. Teardo selbst spielt: Cello, Gitarre und Baritongitarre, Bass, E-Piano, Mellotron, Marimba, Synthies, Schlagzeug und weiteren Kleinkram. Mit Flavia Massimo, Giovanna Famulari und Laura Bisceglia sind drei zusätzliche Cellisten beteiligt, dazu an Geigen und Violas Ambra Chiara Michelangeli, Federica Furlani, Yoko Morimyo, Elena De Stabile, Erica Scherl und Vanessa Cremaschi. Gabriele Coen spielt Klarinetten und Saxophone und Bargeld ist beteiligt nicht nur in seiner typischen Zwei-Ton-Melodien-Art singend, sondern auch noch an Piano, Orgel, Klavinet, Gitarre, Tubular Bells und weiterer Marimba. Liest sich fetter, als es klingt, denn das Haupt-Duo arrangiert kunstvoll, minimalistisch, sparsam – und doch warm, wohlig, weich, einnehmend. Indes auch nicht nach Art des Soundtrack-Kitschs oder so, was man heute unter klassischer Instrumentierung so vorgesetzt bekommt. Die Neubauten ab 1993 klingen schon durch, ab „Ende Neu“ verschoben die avantgardistischen Industrial-Erfinder ja ihren Sound vom Lärm zum künstlerischen Wohlklang, und als solchen kann man die Musik auf „Christian & Mauro“ seinerseits auffassen.

Es ist auch nicht so, dass alle zehn Songs gleich instrumentiert sind. Überwiegen zumeist zwar die Streichinstrumente, sticht ein Stück wie „Menschenentsafter“ dadurch heraus, dass Piano und Blasinstrumente im Vordergrund stehen, bis – als einer der wenigen Momente überhaupt – das Schlagzeug dezent einsetzt. Rhythmen generiert das Duo nämlich vornehmlich über die Verwendung der Streichinstrumente, zusätzliche Schläge ordnen sich zurückhaltend unter, so sie denn überhaupt zum Einsatz kommen. Furor lässt sich auch damit generieren, das wissen die beiden Komponisten, und ebenso, dass man es mit dem Furor nicht übertreiben muss, um eindrucksvoll zu sein.

Kleine Anmerkung zu dem in Pordenone bei Venedig geborenen Teardo, zu Bargeld – siehe Einstürzende Neubauten und The Bad Seeds – sind derer eher weniger erforderlich: Seine musikalische Karriere startete er bereits Ende der Achtziger als M.T.T., was die Initialen von Mauro Teho Teardo sind. Auf ihn aufmerksam wurde der Rezensent um 1994 mit dem zweiten Album seiner Band Meathead, auf der er eine Art Industrial-Metal-Crossover machte und in der Folge mit Giganten wie Cop Shoot Cop und Zeni Geva Split-Singles herausbrachte. Spätere Einmal-Projekte waren Matera mit Mick Harris von Napaln Death und Scorn, Here mit J F Coleman von Cop Shoot Cop, Modern Institute mit der Cellistin Martina Bertoni sowie Operator mit Scott McCloud von Girls Against Boys. Die auf Italienisch dargebotenen Beiträge auf den Alben mit Bargeld indes steuerte letzterer bei – sein Italienisch verbesserte sich wahrnehmbar in den zurückliegenden Jahren.