Tedeschi Trucks Band – I Am The Moon: I. Crescent – Fantasy 2022

Von Guido Dörheide (17.06.2022)

TTB haben im vergangenen Jahr das Husarenstück unternommen, „Layla And Other Assorted Lovesongs“ von Eric und den Dynamos, äh sorry, Derek & The Dominos von der ersten bis zur letzten Note live nachzuspielen und – als wäre das nicht vermessen genug – auch noch eine Live-CD von dem Spektakel zu veröffentlichen. Dabei haben sie sich keinesfalls blamiert, sondern dem Jahrtausendwerk von Eric Clapton und Duane Allman zahlreiche neue, hinreißende Aspekte abgewonnen, und dass die gesangliche Leistung von Susan Tedeschi, Mike Mattison und einigen Gastsängern (allen voran Trey Anastasio von Phish) in einer komplett anderen Liga spielt als diejenige Claptons, sollte wohl niemanden ernsthaft verwundert gehabt haben. Und Tedeschis bester Ehemann von allen, Derek Trucks, hat sich auf dem Bluesgitarrenolymp ohnehin längst minnichstens einen Platz zu Füßen Allmans und dem angesichts gently weepender Slidegitarren nicht fehlen dürfenden George Harrison erarbeitet. Und spielt den ebenfalls noch lebenden Clapton in meiner humpelnden Meinung komplett und nachhaltig an die Wand.

Im Jahr 2022 hat sich die Tedeschi Trucks Band immer noch nicht von Layla und den anderen aussortierten Liebesliedern (jahaaa – pun intended, aber das „aus“ vor dem „sortiert“ klingt mir hier sowas von onomatopoetisch korrekt, dass es da unbedingt hinmusste) verabschiedet und startet mit „I. Crescent“ eine auf römisch vier Teile angelegte Trilogie mit dem Titel „I Am The Moon“ (zu Deutsch: „Ich habe einen Plan“ – und was für einen!), der – ebenso wie das Clapton-/Allman-Original – auf der alten arabischen Liebesgeschichte „The Story Of Layla And Majnun“ aufbaut. Nur ohne die pikante Pointe, dass Eric Clapton George Harrison die Frau ausgespannt hat – und dann ob des unerwarteten Unfalltodes Duane Allmans dennoch hoffnungslos und für lange Zeit den Rauschdrogen verfiel. Exkurs nutzloses Wissen Ende.

TTB legen mit dem wunderschönen Schmuseblues „Hear My Dear“, auf dem die großartige Gitarristin und Songwriterin Susan Tedeschi mit ihrem Gesang eindrucksvoll unter Beweis stellt, warum ausgerechnet ihr Name im Bandnamen ganz vorne steht, los, lassen dann mit dem ein winziges Bisschen, aber nicht allzu sehr ins Belanglose abdriftenden Country-Schunkler „Fall In“ ein ganz klein wenig nach, um dann mit dem Titelstück „I Am The Moon“ den ganz großen Gefühlshammer auszupacken und von diesem auch erbarmungslos Gebrauch zu machen.

Höhe-, Dreh- und Angelpunkt des unglaublich wunderbaren Albums ist aber für mich „Circles ‘round The Sun“: Mit zunächst leicht verschlurftem Beat, einer Trompete, die mich an die Fusion-Periode von Miles Davis erinnert, und Tedeschis flehendem Gesang, der irgendwie absolut überhaupt gar nicht von dieser Welt ist, mich komplett wegfegt und dieselben Synapsen in meinem Kopf verknotet wie Janis Joplin, wenn sie sich selbst komplett vergessend die Seele aus dem Leib schreit, aber Susan Tedeschi schreit nicht und singt viel viel tiefer. Keine Ahnung, was sie da genau macht und wie sie es macht, aber das, was sie da macht, macht sie absolut perfekt. Und dazu treibt und poltert das auf einmal aus seiner Verschlurfung erwachte Schlagzeug die/den Hörenden eine Treppe. Ja, einfach eine Treppe, ob hinauf oder hinunter, vermag ich an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Und irgendwann singt ein Chor, der anscheinend nicht immer kriegt, was er will, und Derek Trucks fängt an, ein wunderbares Solo zu spielen. Fürwahr ein Song wie gemacht für einen Kopfhörer von den Ausmaßen des Duschkopfes aus Hitchcocks „Psycho“.

Derart durchgeschüttelt und nicht nicht gerührt fängt mich das letzte Stück „Pasaquan“ sanft auf: Und zwar mit Trucks‘ wunderschönem Bluesgitarrenintro, dann nimmt das Stück mit einer tollen Orgel Fahrt auf, geht in ein mehrminütiges Schlagzeugsolo über und ist dann immer noch nicht zuende. So einen famosen Budenzauber hat weiland die Allman Brothers Band zu Lebzeiten beider Brothers auch immer entfachen können. Schön, dass TTB diesen Geist authentisch und virtuos am Leben erhalten. Das letzte Wort hat der charismatische Herausgeber dieser Seiten: „Gegniedel & the damage done.“ Und das im positivsten und beeindruckendsten Sinne.