Von Matthias Bosenick (22.05.2023)
Endlich erfährt die streng limitierte Liveplatte von Tamikrest eine Wiederveröffentlichung! „Taksera“ erschien bereits 2015 auf LP und 2017 auf CD und war nur am Record Store Day sowie bei Konzerten der Tuareg-Wüstenblueser aus Mali zu haben – was selbst beim Auftritt im Hallenbad Wolfsburg nicht mehr der Fall war. Die Tanzparty „Taksera“ deckt das Repertoire der ersten drei Studioalben ab und dokumentiert die ausufernde Spielfreude der Band, die sich zwar grundsätzlich an ihre eigenen Vorgaben hält, aber sich gern selbst in Trance spielt und die Stücke so noch hypnotischer ausufern lässt. Es bleibt jedoch lediglich eine konservierte Erinnerung daran, was für eine mitreißende Liveband Tamikrest sind – das zu erleben sollte Ziel sein, „Taksera“ ist ein Kompromiss, ein Dokument. Ein gutes.
Es ist gerade die Kombination aus westlichem Blues und der epischen Spielfreude, die die Musiker in der Sahara auf ihren unendlichen Reisen durch den unendlichen Sand ausleben, die die Musik von Tamikrest so besonders macht. Die E-Gitarre ist auch mal etwas verzerrt, sie malt wiederkehrende Formen in den Sand, Schlagzeug, Percussion und Bass nehmen die Muster dynamisch auf, es entstehen Kreisbewegungen, die sich über den Horizont hinaus fortsetzen, in denen sich die Musiker verlieren, in die sie mit Gesang und Trillern einfallen, in denen eine Gitarre versunken um die Effektgeräte herum improvisiert. Die Songs sind mal selbstverloren und mal energetisch, immer hypnotisch, mitreißend, tanzbar, ob in sich gekehrt oder extrovertiert, stillhalten geht bei dieser Musik absolut nicht.
Bemerkenswert ist das dubbige Offbeat-Stück „Itous“, das Tamikrest mit vielstimmigem Gesang und Reggaerhythmus mit Energie aufladen. An die für europäisch geprägte Ohren vermutlich ungewöhnlichen Gesangsmelodien muss man sich grundsätzlich gewöhnen, doch so fremd bleiben sie nicht lang, weil die Band sie perfekt in den Musikfluss integriert und sie so wie eigene Instrumente erscheinen. Instrumente beherrschen die Tuaregmusiker außerdem blind: Die warmen Akustik- und E-Gitarren-Soli in „Achaka Achail Aynaian Daghchilan“ lassen Erinnerungen an Bob Dylan, Dire Straits, Eric Clapton (damals) aufkommen, der Rest der Band nimmt sich so weit zurück, dass Bass und Schlagzeug lediglich die Grundierung bilden, und an anderer Stelle grooven beide Fraktionen sowas von mächtig herum, dass die Gitarren wie schmückendes Beiwerk wirken. Der epische Offbeat-Song „Outamachek“ hat Anleihen an The Velvet Underground, „Aratan N Tinariwen“ nimmt Fahrt auf und versprüht mächtig Energie.
Da steckt dann auch im Titel die eigentlich größte Reminiszenz drin: Tinariwen, „Wüste“, „leerer Ort“, ist der Name der anderen Tuareg-Band, die es ins internationale Geschäft schaffte, und zwar bereits vor über 20 Jahren, also etwas früher als Tamikrest, „Knoten“, „Kreuzung“, „Verbindung“. „Taksera“, „ein Fest mit Musik“, schnitt die Band auf dem Burg Herzberg Festival 2014 mit, wo sie auf der Tour zum Album „Chatma“ auftrat. Was hier fehlt, ist das Bild, man sieht die Touareg-Gewänder nicht, in denen die Musizierenden auf der Bühne stehen. Schön, dass es dieses sehr limitierte Dokument jetzt frei zu haben gibt, das darf mit „Live 2011“ und den „Sahara Campfire Sessions“ aus dem Jahr davor sowie den mit Dirtmusic ebenfalls 2010 aufgezeichneten „The Tent Sessions“ gern als nächstes erfolgen.