Von Matthias Bosenick (09.05.2017)
Was wären Tamikrest nur ohne The Velvet Underground? Auf ihrem vierten Album verhehlen die Musiker aus Mali diesen Einfluss nicht, sollte er es denn überhaupt bis zu ihnen in die Wüste geschafft haben. Doch liegt der Schwerpunkt dieser Band wie stets bei ihren Tuareg-Wurzeln, die sie mit westlichem Instrumentarium bearbeitet. Auf „Kidal“ gerät dies etwas weniger druckvoll und kräftig als zuvor; hier gönnen sich Tamikrest mehr Zwischenräume und Reflexion. Und politische Botschaft.
Das Dudeln der Gitarren haben Tamikrest bei The Velvet Underground ausgeborgt. Möchte man meinen. Nur, weil jemand in der Sahara unterwegs ist, bedeutet das schließlich nicht, dass er solche Einflüsse nicht haben kann. Irgendwie müssen Tamikrest ja schließlich auch auf die Idee gekommen sein, ihre traditionelle Tuaregmusik mit Rockinstrumenten zu intonieren.
Mit diesem Konzept errichtete die Band neue Brücken. Die Melodien und Songstrukturen sind für europäisch geprägte Ohren eher ungewöhnlich, die Stimme etwa klingt leiernd, das Repetetive ist der durchschnittliche Rockhörer nicht gewohnt, die Chorgesänge und das Trillern eher auch nicht. Und dann ertönen E-Gitarren, Bass und Schlagzeug, wie man es von zu Hause kennt, als Transportvehikel für diesen Wüstenrock.
Der auf diesem Album gar nicht mal mehr so sehr rockt wie zuvor. Das mag am Thema liegen: „Kidal“ ist eine Stadt in Mali, die von Tuareg-Rebellen mit militärischen Mitteln gegen die Regierung erobert wurde. Da sich Tamikrest selbst aus politischen Gründen nicht mehr in Mali aufhalten dürfen, ohne um ihr Leben zu fürchten, kann man sich vorstellen, dass ein Album dieses Titels nicht eben Gute-Laune-Themen birgt, und das schlägt sich zwangsläufig in der reichlich zurückhaltenden Musik nieder. Die Party der ersten drei Alben ist vorbei, jetzt herrscht Katerstimmung, und man kann es ihnen nicht verdenken. Ganz abgesehen davon ist die Tamikrest-Musik trotzdem wundervoll und besonders. Als Einstieg in den musikalischen Kosmos Tamikrests kann es jedoch etwas in die Irre führen, das sollte man beim Antesten berücksichtigen.
Die Vinyl-Version kommt ohne Bonus, aber im Klappcover und mit Texten auf Englisch und Französisch, wie man es noch vom Achtziger-Betroffenheits-Rock kennt. Auch ein Downloadcode liegt bei.