Von Matthias Bosenick (11.09.2024)
Da wartet man schon gar nicht mehr auf eine Reunion der dänischen Electro-Rocker Spleen United, weil das dritte und letzte Album schon 2012 herauskam und seitdem annähernd Ruhe herrschte, da steht plötzlich „The Blur Of Zebras“ in den Plattenläden. Mit „Afterglow“ startet es noch hoffnungsvoll – und wird dann extrem langweilig und massentauglich. Lauter Downbeat-Vocoder-Tralala. Von Rockmusik keine Spur mehr, von Eigenständigkeit und Experimentierfreude ebenso wenig. Das ist eine fette Enttäuschung!
„Afterglow“ weckt Hoffnungen, es startet mit den vertrauten Synthieflächen, einem dunklen Downbeat und geheimnisvollem Stimmeinsatz, aber dann kommen die neun anderen Tracks, und die – sind furchtbar. Irgendwie Synthiepop, komplett langsam, Kuschelpop, fürs Radio gemacht, stört die Hausfrau nicht beim Bügeln, häufig mit durch den Vocoder gejagter Stimme, so gut wie komplett ohne individuelle, besondere Einfälle. „Sister Love“ auf dem Ende der A-Seite erinnert im Outro an Achtziger-Sounds, das auf der B-Seite folgende „From 10 To Zero“ hat etwas von entrücktem Neunziger-Balearten-Chillout. Ansonsten fühlt man sich wie eingelullt, aber uncomfortably numb, weil Wumms und Strukturen fehlen.
Es ist so furchtbar, dass es mehr zum vierten Album der Dänen nicht zu sagen gibt. Zur Musik zumindest, harte Fakten sind noch: Die beiden digitalen 2022-Comeback-Singles mit den wie Coverversionen klingenden Titeln „The Real Thing“ und „Eat The Rich“ sind nicht enthalten. Physisch gibt es das Album ausschließlich auf Vinyl, ansonsten digital. „The Blur Of Zebras“ ist das vierte Album des vor 22 Jahren in Århus gegründeten Quintetts. Das Debüt „Godspeed Into The Mainstream“ erschien 2005, der Nachfolger „Neanderthal“ 2008 und das dritte Album „School Of Euphoria“ 2012. Die letzte Veröffentlichung war 2013 zum Record Store Day ein als „Bootleg“ mitgeschnittener zweigeteilter Experimental-Track, den die Band im Vorjahr beim Roskilde Festival aufführte und dessen Ambient-Avantgarde-Flow die Hörenden wunderschön mitnimmt; 2022 brachte die Band dieses „Bootleg“ um einen unbearbeiteten Track erweitert als Download neu heraus.
Ja, „The Blur Of Zebras“ hat Anleihen an dieses „Bootleg“, das Zwischenspiel „pad_dimension#loop“ etwa klingt wie direkt diesem Mitschnitt entnommen. Nur verzichtet dieser zwölf Jahre alte Mitschnitt gottlob auf Gesang und Tralala. Erst „I’m Breathing Through My Mouth Again“ an neunter Stelle des neuen Albums bringt etwas mehr Kraft in die Brühe, aber längst nicht so durchschlagend wie die alten Sachen von Spleen United.
Damals, als man „Godspeed Into The Mainstream“ als Titel zu programmatisch fand, um es unvoreingenommen aufzulegen, und einem das Intro zum Opener „Heroin Unltd.“ Recht zu geben schien. Glockenkeyboard. Dann Midtempo-Rockbeats und ein Kleisterkeyboard. Und ein fuzzy Bass, man hört genauer hin. Dann die Stimme. Monoton, nur eine Tonlage, das Glockenkeyboard überlagert den Fuzzbass. Geil. Im Refrain gesellt sich das Kleisterkeyboard dazu. Scheiße, das ist geil, weil es den Kitsch kopfüber dreht. Und dann übernimmt der Fuzzbass die Melodie, eine neue gar. Das Stück hört nicht auf, an Energie zu gewinnen. Das Album ist gekauft! Es pendelt zwischen süßen Melodien und Dunkelheit, zwischen Electro und Rockmusik. Das quasi-selbstbetitelte „Spleen Utd.“ beispielsweise ist eine fröhliche Uptempo-Nummer mit eingebauter Melancholie.
„Neanderthal“ schlug einen anderen Weg ein, bereits die Leadsingle „Suburbia“ wies die neue Richtung, und die lautete Clubmusik. Die Kombination aus Eingängigkeit und Dunkelheit blieb erhalten, lediglich die Beats wurden streckenweise technoid. Nicht alle Songs waren clubby, „Failure 1977“ klang vielmehr wie eine Fortsetzung des Debüts, „Dominator“ hingegen sprühte vor tanzbarer Energie. Poprock und Club gemischt, nicht nur innerhalb einzelner Tracks, sondern auch auf verschiedene Tracks verteilt.
„From Sunset To Sunset“ leitete „School Of Euphoria“ ähnlich melancholisch-clubby ein. Das ganze Album ist elektronischer, beatlastiger, weniger Rockband als alles zuvor, behält den Pop-Gesang und das Melodiöse aber bei, ebenso das Experimentierfreudige. Ja, die drei Alben unterscheiden sich, es gibt eine Entwicklung, und das ist ja auch gut so.
Dann kam es aufgrund eines Schicksalsschlags des Sängers zum Bruch, zur Umorientierung als Lightwave Empire – und bald zur Neuformierung als Liveband. Nun also auch als Album-Band. Mit Höflichkeit kann man „The Blur Of Zebras“ als Ambient-Album bezeichnen, eine gewisse Nähe zu Air mag man heraushören, doch sind die Songs zu beliebig, zu wenig haften bleibend, um deren Qualität zu erreichen. Es ist eine Enttäuschung. Aber so ist wohl das Leben: Die Jugend hat noch Feuer, dann schmeißt einem das Leben Stücke zwischen die Beine und man ist desillusioniert und kuschelbedürftig – während andere den Schmerz auf andere Weise bewältigt bekommen.