Von Matthias Bosenick (15.07.2025)
Mit zwei neuen Veröffentlichungen beehrt uns das Label Separated Beats: Auf seiner EP „Smooth Rider“ kredenzt uns Tobi Morare Neunziger-Retro-Beats von den Balearen bis zum Drum And Bass und im vierten Teil seiner Reihe „Durchströmungen“ mit dem Titel „Wellenbrecher“ fokussiert sich Ben Bekeschus auf sein Ambient-Alias Spiralectric.
Tobi Morare – Smooth Rider (2025)
Der Berliner Neunziger-Electro-Spezialist Tobi Morare verzaubert uns mit einer neuen EP voller Schmuckstücke: Auf „Smooth Rider“ deckt er in kaum 14 Minuten und verteilt auf fünf Stücke eine breite Palette an Stilen ab, von chillig bis schweißtreibend. Die kaum anderthalb Minuten des Openers „El Diabolo“ klingen exakt wie der Titel: Das Stück ist ein Electro-Surf-Track im Midtempo mit einer Mariachi-Trompete, also ein smoother Einstieg. Noch smoother wird „Cabin Fever“, das mit Funk an die Balearen führt, mit Blick aufs Café del mar, dessen Bass an Chic erinnert und dessen Stimmsamples teilweise nach Art von The Art Of Noise eingearbeitet sind. Im Downbeat bleibt das Titelstück, im entschleunigten Hip Hop vielmehr, als Basis für eine Melodieführung, die man aus Siebziger-Hollywood-Filmen zu kennen meint.
Die letzten beiden Tracks haben die größte Verwandtschaft unter diesen fünf, beide sind im schnellen Drum And Bass angesiedelt. Die Stimmsamples in „Jealousy“ lassen die alten The Prodigy durchschimmern, als diese noch die Vocals in Richtung Schlumpf pitchten. Zu diesem Eindruck passt auch der Offbeat dieses Stücks. „Jungle Juice“ beginnt anschließend mit Big Beats, die deutlich fetter produziert sind als die des Drum And Bass, wechselt aber bald in jenen zurück. Dub-Effekte kommen hinzu, auch angewandt auf die Sprachsamples. Speed und Energie! Also das Gegenteil der ersten drei Tracks.
Es ist immer wieder staunenswert, wie Tobi Morare es schafft, in so kurzer Spielzeit seine Erinnerungskultur so ausgeprägt mit Leben zu versehen. Als wären die letzten 30 Jahre gar nicht vergangen, ist sein Retro-Sound pressfrisch und ansteckend. Was auch daran liegt, das viele seiner Sounds nie aus der Mode gekommen sind, der Drum And Bass etwa, oder heute wieder aktuell, wie der Big Beat, nachdem The Prodigy auf gleich drei Festivals – Hurricane, Copenhell und Glastonbury – den Kids zeigten, wo der Electro-Hammer hängt. Morare nimmt jenen auf und setzt ihn mit Schmackes ein.
Durchströmungen 4: Wellenbrecher (2025)
Für den vierten Teil seiner Compilation-Reihe „Durchströmungen“ mit dem Titel „Wellenbrecher“ wählte der in Berlin ansässige Ben Bekeschus sein Alias Spiralectric als Basis. In diese Sammlung bettete er außerdem zwei Remixe ein, die er unter diesem Alias für andere anfertigte, und zwar für das Müncheberger Duo Einklang Freier Frequenzen, bestehend aus Markus Lang und Andreas Wöhrl alias Telly Quinn, sowie für jemanden namens Stan Dancer.
Bis dahin vergeht aber Zeit, und die lässt sich Bekeschus. Sein Album startet chillig mit dem programmatisch betitelten „Ancient Spacewalks“, einem fetthaltigen, lebendigen Ambient, der sich über „Midgard (Tales Unfolding World)“ in einen beinahe poppigen, hypnotischen Hippie-Trance transformiert. Die „Dea Indica“ lässt er über einem Offbeat verehren, versetzt mit psychedelischen Flötentönen und Gesängen. Der unterschwellige Offbeat bleibt in „Floating Like Spores In The Mystery Of Life (feat. Maria Sabina)“ erhalten; der Track erinnert nicht nur vom Titel her an The Orb: Die Bassdrum lässt Bekeschus hier weg, der Track mäandert zehn Minuten lang into Space. Jene María Sabina aus dem feat. übrigens war eine mazatekische Schamanin, sagt das Internet. Das fröhlich betitelte „Sphinxette (Twisted Haze Ornaments Mixette)“ setzt den Offbeat fort, bringt ihn aber an einen sehr, sehr relaxten Strand. Kaum weniger fröhlich heißt „Nexus Perplexus“, das das Relaxte in den Weltraum gleiten lässt, ungefähr wie die Ambient-Gruppe HAL damals.
Es folgen drei Remixe: „In rauhen Nächten (Spiralectric Nacht)“ ist im Original von Aus-Gleich, also einem anderen Projekt Bekeschus‘, das in der „Durchströmungen“-Reihe bereits Berücksichtigung fand. Hier kehrt mehr Agilität in den Sound ein, diese Art Trance ist beinahe nervös, auch ohne treibende Beats – es passiert eine Menge. Mit „Space Yard (Spiralectric Garden)“ von Einklang Freier Ferquenzen bringt Bekeschus die Köpfe zum entspannten Nicken, Dub- und Goa-Elemente schmücken diesen energetischen Downbeat-Track. In „Natural Minorities (Spiralectric Miniatures)“ von Stan Dancer lässt Bekeschus sogar IDM-Glitches zu, die er in diesen Electro-Track mit Hip-Hop-Downbeat einbaut. Der Abschluss gehört wieder ganz Spiralectric: Die Glitches greift Bekeschus in „Lost Mindviews“ auf, er manipuliert Ethno-artige Gesänge damit, die er über einen reduzierten Breakbeat legt.
„Glaswolken“, den ersten Teil von „Durchströmungen“, veröffentlichte Bekeschus 2021. Darauf stand Aus.Gleich im Zentrum, Spiralectric war ebenfalls bereits vertreten. Der zweite Teil „Klangkräfte“ folgte 2022, hier stand Tales Unfolding im Mittelpunkt. „Magnetschweben“ als dritter Teil widmete sich 2024 abermals Aus.Gleich.