Von Matthias Bosenick (04.09.2017)
Wenn die ersten zweieinhalb Minuten aus dunklem, klaren Gitarrenplingpling bestehen und man sich im Anlauf auf ein Gothic-Album wähnt, wenn die volle Instrumentierung dann das Genregefühl nicht wesentlich verändert, trotz malmendem Sounds, wenn es weitere zwei Minuten braucht, bis endlich das Tempo der Bassdrum anzieht: Dann steckt man mitten im modernen Black Metal und im dritten Album der jungen Dänischen Band Solbrud. Hier geht es nicht um Brutalität der Brutalität wegen, hier geht es um Atmosphären und Groove, ums Fallenlassen und ums Wegdriften. Hier geht man auf im geordneten Lärm. Vier neue Stücke, die Solbruds Größe untermauern.
Das Epische ist vielen zeitgenössischen Blackmetallern eigen, doch bringen Solbrud seit jeher auch eine Struktur in die Epik, sie differenzieren die Elemente ihrer Songs, lockern sie auf, erweitern sie, unterbrechen sie, kippen sie um. Solbrud erzeugen Stimmungen, die sie unerwartet unterbrechen, zumeist mit beinahe artfremden Elementen, einer hymnischen Orgel oder dunklen Gitarrenpassagen etwa, frei von Rhythmus oder Melodie, nahe am Doom, am Gothic, am Ambient, und die sie wiederum gegen die Rückkehr zur Hauptwalze eintauschen. Die durchsetzen sie gern mit Schönheit, trotz des genretypischen Keifgesangs, der indes nicht die Ohren malträtiert, sondern sich schlüssig in den Sound fügt; die Gitarrenwände sind beinahe erwartbar dem Shoegaze, neovulgo Blackgaze, angelehnt. Überraschend warm, weich überrennen diese Gitarren das Feld, auch die Blastbeats ringen nicht um schiere Härte. Dabei ist der Sound klar, nicht schwammig, das Milde ist gewollt – und steht der Musik ausgezeichnet. Mittendrin erzeugen Solbrud Passagen reinsten Grooves, und alles geschieht organisch, nicht wie mancher Black Metal nach Maschine klingend. Man kann nur staunen.
Und sich hingeben. Die entspannende Wirkung dieser Musik bedarf sicherlich einiger Gewöhnungszeit; wer ihr grundsätzlich abgeneigt ist, wird es nicht nachvollziehen können, dass man zu solchem Lärm zur Ruhe kommen kann. Dem klassischen Black Metal entnommen ist das Element, dass das hohe Tempo nicht simple Härte erzeugt, sondern eine Soundfläche. Man muss dies sozusagen aus der Distanz hören; jeder einzelne Beat fügt dem Hörer wohl wie mit dem Nagel eingehämmerte Schmerzen zu, in ihrer Folge wirken sie wie auf der Haut abgerollte Drahtbürsten, doch in ihrer aus der Ferne wahrgenommenen Gesamtheit haben sie den Effekt eines Nagelbretts, das dem Fakir fast gemütlich vorkommt.
Die Schönheit der Musik transportiert Wehmut, på dansk: Vemod, und dieser Titel passt vorzüglich zu diesem dritten Album nach „Solbrud“ und „Jærtegn“. Alle drei Alben gab es auch als LP, mit Downloadcode, doch sind die ersten beiden bereits vergriffen und begehrt. Laut Info der Band sollen sie nachgepresst werden, das neue Label macht‘s möglich. Und es lohnt sich, sowohl für die großen Cover als auch für die Musik.