Von Matthias Bosenick (04.04.2022)
Endlich. Endfuckinlich!!!! Generationen von Indie- und Noiserock-Fans warten auf diesen Moment: Das bislang unveröffentlichte und absolut zeitlose Album des temporären Projektes Skim ist – um es zu wiederholen – endlich! verfügbar, als Download bei Bandcamp und als CDr im Digipak. 20 Jahre lang lag diese Preziose in einer Schublade, jetzt atmen die Freunde rheinischer Lärmmusik auf, die auf den Pfaden von BluNoise, Yvonne Nußbaum, Jörg A. Schneider und Carsten „Cazy“ Schmidt unterwegs sind: „Skim“ von Skim ist da. Und das Album ist gut, Noiserock in entspannt, pianodominiert, elektrifiziert, songorientiert – und der Hörer hyperventiliert. Übrigens inklusive der zur Legende gewordenen Coverversion von „Blueprint“, im Original von den Rainbirds. Und Guido Lucas war hier beteiligt. Und: Endlich!!!
Mit einem Piano geht das Album los, das kommt reichlich unerwartet, aber wenn man weiß, was Nußbaum und Schneider heute so treiben, wenn sie sich unter dem Alias Wolfskull ihre improvisierten Alben aufnehmen, findet man das gar nicht mehr so sonderbar wie vermutlich noch 2002, als „Skim“ entstand. Von Leuten, die zuvor als Les Hommes Qui Wear Espandrillos zusammen Musik machten, den wohl lautesten und druckvollsten Noiserock der Republik, hätte man dieses zurückgenommene Kleinodium seinerzeit jedenfalls eher nicht erwartet. Mit einem Piano nun also geht das Album los, und dieses Piano trägt die Stimme von Yvonne Nußbaum, die Skim mit einem nachdrücklichen, festen, bestimmten Gesang veredelt, ganz abgesehen davon, dass sie das Piano, das eigentlich ein Keyboard ist, ebenfalls spielt. Und den Bass und auch Gitarre. Wenn sie singt, bekommt man den Eindruck, sie sei ganz bei sich, nicht bei Erwartungen und Strömungen. Sie atmet die Lieder ein und aus, klar, mal kraftvoll, mal zurückgenommen, eigenwillig, eigensinnig.
Zu dieser Zeit, also um 2002, spielte Schneider sein Schlagzeug noch gerade so songdienlich, bevor er damit begann, im Wortsinne taktlos zu werden. Damit ist „Skim“ aus heutiger Sicht quasi ein Dokument von historischem Wert von kurz vor dem Start ins Regellose. Die Erwartungen von Indierockhörern erfüllt „Skim“ vermutlich dennoch nur marginal, am ehesten noch im noisigen „Candypipe“ und im verzerrt groovenden „Hold On The Storm“, da es eben nicht die Wand aus Lärm beinhaltet, die man noch von LHQWE kannte, sondern das Trio behutsamer, ausdifferenzierter, experimenteller und doch kraftvoll zuwege geht. Selbst eine Analogie zu Tori Amos trifft es hier nicht, nicht nur, weil Nußbaum tiefer singt. Und fürs Rockradio taugt maximal „Do Another Try“, das in Sachen Melodie und Gitarreneinsatz am leichtesten nachvollziehbar ist.
Dritter im Bunde bei Skim ist „Cazy“ Schmidt, der wie Nußbaum versiert an allen Saiteninstrumenten und an elektronischen Effektgeräten ist. Der Musiker vom Niederrhein war bereits an weit über 30 Alben beteiligt, hat seit einiger Zeit Theatermusik als Schwerpunkt und betreibt in Krefeld ein Tonstudio. Seine Elektronik bedeutet auf „Skim“ überdies nicht, dass man hier Synthiepopflächen bekommt, sondern allenfalls experimentelle Einschübe und Effekte, etwa wie in „Funky Bubbles“, sofern die Synthies eben nicht wie ein Piano zum Einsatz kommen. Bedauerlich, dass diese drei Musiker ihre Arbeit nie fortsetzten – „Skim“ ist ein fantastisches Album geworden.
Und „Blueprint“, so entschleunigt, so reduziert, so wunderschön, wie es die Berliner nicht vorgesehen hatten. Diese Version erinnert an „Message In A Bottle“, im Original von The Police, wie es das Projekt International Friendship Society auf dem Album „Shadows, Wind Blows, Hurry Up, Protect The Fire …“ nur wenige Jahre später und ebenfalls unter Beteiligung von Nußbaum, Schneider und Lucas auf ein an Stina Nordenstam angelehnt heruntergedimmtes Maß darbot. Tja, und heute – Melodien, Rhythmen, alles aufgebrochen, alles perdu, alles dermaßen eigen, dass es sich in Nischen verzieht, in denen es blüht und begeistert. Glaubwürdigen Lärm können ebene nur Leute machen, die wissen, wie Nichtlärm geht.