Von Matthias Bosenick (03.08.2013)
Das ging flott, nur wenige Monate nach „Valtari“ kommt das nächste Album von Sigur Rós, nachdem sie sich bis „Valtari“ vier Jahre Zeit gelassen hatten. Flott ist auch die Musik, vergleichen mit „Valtari“, das ja enttäuschenderweise nahezu ausschließlich aus konturlosen Soundscapes besteht und damit weniger Atmosphäre und Leidenschaft transportiert als alle Alben zuvor, also als das, wofür man die Band zu lieben lernte. Auch „Kveikur“ unterscheidet sich, aber nicht nur von „Valtari“, sondern von so gut wie allem Bisherigen: Es erfüllt jetzt das Etikett, das man der Band in Ermangelung besserer Schubladenbezeichnungen gerne gibt, nämlich Postrock. Ja: Auf „Kveikur“ geht einigermaßen die Post ab. Und es steht der zum Trio geschrumpften Band gut.
Eigentlich sind die musikalischen Komponenten dieselben wie zuvor: Mit dem Geigenbogen gespielte Elektrogitarren, ätherische Stimme, wuchtiges Schlagzeug, Bläser, Streicher, schleppendes Tempo, viel Atmosphäre und Emotion. Wo indes sonst die Elemente für den herzerwärmenden Schönklang dienten, wirken sie jetzt wie mit der Drahtbürste bearbeitet. Es kracht und scheppert, hat mehr Wucht und Groove, die Atmosphären sind nicht mehr nur Teppich allein, sondern Basis für eine neue Soundarchitektur, aber ebenso filigran und detailversessen wie zuvor. Natürlich gibt es auch Songs, die es auch auf älteren Alben hätte geben können. Dennoch: Aus den melancholischen Jugendlichen sind energetische Erwachsene geworden. Sie sind einen Schritt weiter: Sie scheinen nicht mehr nur das Leben zu kommentieren oder ihre Befindlichkeiten zu streuen, sondern etwas zu fordern. Man weiß es nicht, weil man in der Regel weder Isländisch noch deren Kunstsprache Vonlenska versteht, aber es macht den Eindruck. Und ihre Laune hat sich in manchen Passagen auch noch verbessert.
Auf dem Album vor „Valtari“, „Með suð í eyrum við spilum endalaust“, vor fünf Jahren probten sie ja schon den schnelleren Rockpop mit Singles wie „Gobbeldigook“. Schon damals erschien es als die konsequente Entwicklung, den Sound voluminöser und kräftiger zu machen. „Valtari“ konterkarierte die Entwicklung zunächst, „Kveikur“ steigt wieder an der richtigen Stelle ein. Es scheint, als würden Sigur Rós mit ihren Hörern erwachsen. Das ist gut, neue Fans zu erobern gelingt den wenigsten Etablierten, also ist es korrekt, den Bestand zu sichern. Alles richtig gemacht.
Eine limitierte Version gibt es von dem Album: Einer LP-Auflage liegt eine 10“ bei, mit dem groovig-elektronischen „Blanck Mass Remix“ der Vorabsingle „Brennisteinn“ sowie den beiden Japan-Bonus-Tracks „Hryggjarsúla“ und „Ofbirta“. Das reguläre Album liegt als CD bei.