Von Matthias Bosenick (29.06.2017)
Was spätestens mit „As If“, dem Vorgängeralbum, leider abzusehen war, bewahrheitet sich auf „Shake The Shudder“: !!! werden synthetisch und geben damit ihr Alleinstellungsmerkmal ab, schweißtreibende Tanzmusik mit der Hand zu spielen. Die Songs auf dem siebten Album sind okay, gelegentlich hört man den typischen Discofunk der Wahl-New-Yorker heraus, doch fehlen die Haken, mit denen sich !!! bis dato ins Ohr bohrten. Not every day is like Yadnus. Trotzdem fließt Schweiß.
Zappelig bleiben !!!, gottlob, und gestatten ihren Bassläufen, den Funk der Siebziger zu zelebrieren, wie sie es seit Anbeginn ihrer Tage machen, nur, dass diese Bassgeräusche zu sehr nach Computer klingen. Vielleicht ist mehr auf diesem Album handgespielt, als es scheint, diese Tendenz hatten !!! schon früh, synthetisch zu klingen, aber nicht durchgehend und als dominantes Merkmal. Auch auf dem zweiten Album „Louden Up Now“ wirkte die gleichwohl grandiose Zehn-Minuten-Single „Me And Giuliani Down By The Schoolyard (A True Story)“ aufgrund ihres Synthiesounds etwas, nun, eigenwillig.
Zudem lässt sich Nic Offer vom Mikrofon verdrängen, er gibt den Platz für Frauenstimmen frei. Die sind in der Tanzmusik nicht so ungewöhnlich wie die von Männern; nichts gegen die Kunst der Sängerinnen, aber auch an dieser Stelle lassen !!! Eigenständigkeit liegen. Nicht zuletzt wirkt Offers Stimme ihrer Seele beraubt, also glattpoliert; das Unperfekte, das Außer-Atem-Sein passte vormals so – ahäm – kongenial zur rumeplig brennenden Tanzmusik. Einem Synthie hingegen nimmt man die Atemlosigkeit nicht so ohne Weiteres ab.
Auch die Atmosphäre in den Songs bleibt eher verschlossen, als dass sie wie zuvor noch Räume öffnet. Eben weil die Musik vormals Gitarre, Bass, Schlagzeug und den anderen drei, vier Instrumenten ausgeliefert war, musste sie den unwägbaren Umständen folgen, die es mit sich brachte, dass da echte Menschen zum Tanz aufspielten. Jetzt regiert der Dancefloor, nicht mehr die Bühne.
Also gut, sei „Shake The Shudder“ eben von der Tanze aus betrachtet. Ja, läuft: Disco, Funk, House, Groove, alles da, was der Nachtschwärmer braucht, und alles trotz des weniger Eigenständigen weit genug neben der Radiotauglichkeit, um attraktiv zu sein. Ist ja auch nett, unter Synthiesongs versteckte Funkgitarren herauszuhören. Die Tanzmusik dieser Tage, die !!! kredenzen, ist ausreichend subversiv, und wer weiß, welche Botschaften da mitschwingen, denn, so Track 3: „Dancing Is The Best Revenge“.
Man muss sich „Shake The Shudder“ schönhören. Möglich ist das, aber in der Rangfolge der sieben Alben und diversen 12“es und EPs von !!! seit 1998 nimmt es einen hinteren Platz ein. Herausragende Songs gibt es nicht, jedenfalls nicht nach den ersten halben Dutzend Durchläufen, das Album ist – freundlich gesagt – homogen. Okay, „Throttle Service“ hat man bald im Ohr. Und vielleicht doch noch das ein- oder andere Stück. Ach, eigentlich macht „Shake The Shudder“ doch gar nicht so wenig Spaß.
Auf Vinyl kommt das Album übrigens als Doppel-LP, limitiert auch in transparent, mit Downloadcode. In Japan hat die CD ein Stück mehr, „Anybody‘s Guess“.