Sepultura – Machine Messiah – Nuclear Blast 2017

Von Matthias Bosenick (17.02.2017)

Sepultura haben etwas ganz Entscheidendes verloren: ihren Bremsklotz nämlich, mit dem sie versuchten, in der selbstgewählten Metal-Nische zu verbleiben, die ihnen seinerzeit Alben wie „Chaos A.D.“ und „Roots“ eröffnete. Doch war ihnen das bei aller technischer Raffinesse und Thrashigkeit ohne die Cavalera-Brüder einfach nicht vergönnt. Davon befreien sie sich auf „Machine Messiah“, sind einfach mal sie selbst – und so gut wie seit 21 Jahren nicht mehr, also seit Maxe das Mikro für Derrick Green freigab.

Dies ist das achte Sepultura-Album mit Green, dem schwarzen Hünen, dessen Stimme zwangsläufig nicht so klingt wie die von Trademarkgrunzer Max Cavalera. Green ist jetzt anderthalbmal so lang Sänger wie Maxe und bleibt trotzdem für die meisten Leute der Neue. Wie das immer so ist bei Bands, die ihr stimmliches Aushängeschild auswechseln. Wer ist dieser Phil Collins, wer Steve Hogarth, wer Blaze Bayley, wer Derrick Green.

Um der neuen Stimme Rückhalt zu geben, verließ sich die Restband bei ihrer musikalischen Ausrichtung überwiegend auf den Thrashmetal, den sie gelegentlich „Roots“-inspiriert mit folkloristischen Elementen anreicherte. Letzteres zumindest behalten Sepultura auch auf „Machine Messiah“ bei, doch zerren sie den Metal dieses Mal ordentlich durch den Dreck. Scheiß auf Erwartungshaltung, eigene und fremde, scheiß auf Akkuratesse, scheiß auf glatte Produktion, scheiß auf Verkaufszahlen – hier kommen Sepultura in der Form, wie man sie seit ca. „Arise“ nicht mehr moshen hörte, versetzt mit zeitgenössischen Spielereien, die die Gute-Laune-Aggressivität noch unterstreichen. Streicher! Zum Beispiel. Mal als kulturelle Schöndudelei, mal als wildes, ausgelassenes Gefiedel. Flamencogitarren! Auch die „Roots“-Percussions klingen an, ebenso die Hüpferiffs jener Ära. Nur alles um eine saubere Schuttfuhre dreckiger.

Hier klingt nichts mehr nach Zwang, nach Kalkül, nach Verbissenheit. Nicht so clean wie „Roorback“, nicht so durchdacht wie „Dante XXI“ und „A-Lex“, nicht so ausschließlich in die Fresse wie noch der Vorgänger „The Mediator Between Head And Hands Must Be The Heart“. Dafür kehren melodische Riffs, brutales Gebolze und energiegeladenes Galoppieren zurück. Die vier Jungs haben hörbar Spaß an ihrer schlechten Laune. Und der steckt an.

À propos, von den vier gegenwärtigen Sepultura-Bandmitgliedern hat niemand die Gründung erlebt, 1984 in Belo Horizonte. Immerhin stieg Bassist Paulo Jr. noch vor dem Debütalbum „Morbid Visions“ ein und Gitarrist Andreas Kisser direkt danach, aber Schlagzeuger Eloy Casagrande erlebt erst sein zweites Album mit der Band. Sein indirekter Vorgänger Igor Cavalera verließ Sepultura bereits vor zehn Jahren, um sich mit seinem Bruder für inzwischen drei Alben der „Cavalera Conspiracy“ zu versöhnen. Und jetzt endlich haben sich die neuen Sepultura freigespielt. Ganz überraschend.

Das Album gibt’s wie üblich auch limitiert, und zwar als Digibook mit Bonus-DVD mit einer Dokumentation über die Produktion des Albums sowie zwei Extrasongs auf der CD, darunter ein Cover des Titelsongs der japanischen TV-Serie „Ultraseven“. Allein für diese knapp anderthalb Minuten lohnt sich das Album. Ein glitzerndes Krönchen!