Sâver & Frøkedal – Split EP – Pelagic Records 2022

Von Matthias Bosenick (12.01.2023)

So geht das: Da erwartet man aus der Erfahrung, die man mit den Norwegern Sâver bereits machte, ein amtliches Metal-Brett, und bekommt stattdessen auf dieser Split-10“ mit Anne Lise Frøkedal zwei melancholisch-chillige Songs, die eher in Richtung traurige Folklore gehen. Die Doom-Postmetaller Sâver und die Singer-Songwriterin Frøkedal covern hier gegenseitig einen ausgewählten Song, und man kann die Originale kaum wiedererkennen, so eigen sind die Resultate. Und schön, wunderschön! So geht Metal.

Auf Bandcamp sind die Tracks etwas verwirrend betitelt, als Künstler ist jeweils der Gecoverte angegeben, aber man hört ja, wer singt. Zum Auftakt arbeiten Sâver „Shot-Put“ von Frøkedal & Familien, erschienen 2021 auf dem Album „Flora“, um zu „Shot Puff“. Das beinahe sakral beginnende Original steigert sich erst kurz vor Schluss in einen Britfolk-Song, mit einsetzender Band und Fiedel. Das Chillige übernehmen Sâver zunächst, drücken den Song, den Anne Lises klare, hohe Stimme noch gerade so oberhalb der Wasserlinie hält, indes unter jene, verleihen der Melancholie etwas subliminal Bedrückenderes, vermeiden aber den Schritt ins Depressive. Erstaunlich, wie leicht es dem Trio fällt, mit reduzierten Mitteln die Stimmung zu verändern. Die Band-Instrumente setzen in ihrer Version früher ein, aber nicht folkig, da dringt der zerbrechliche Post-Rock durch, keine Wucht, schwebende Sounds, repetetive Saiten- versetzt mit schwirrenden Synthie-Klängen, die Gesangsmelodie ebenfalls nahe am Sakralen, die klare Stimme dabei in mittleren Lagen. Man hätte Sâver in dieser Darreichungsform nicht erkannt: Mittel wie diese setzten sie zwar auch vorher schon ein, aber nicht wie hier komplett frei von Metal.

Anne Lise revanchiert sich mit „I, Vanish“ vom Sâver-Debüt „They Came With Sunlight“ aus dem Jahr 2019, dem wohl geilsten Stück des Albums, riffig, heavy, eingängig, brutal – nicht so auf dieser EP. Hier ist es ein klares Frøkedal-Stück, mit ätherischer, bisweilen gedoppelter Stimme, ambientartigen Sounds, filigran gespielter Akustikgitarre und spät einsetzenden Folk-Instrumenten, die Idee negierend, dass man hierzu mal headbangen konnte, auch wenn die schwelende Glut allmählich zum lodernden Folkfeuer wird. In Anne Lises Stimme liegt eine gewisse Kraft, nicht ganz so ausdrucksstark wie etwa bei Christa Päffgen, aber auch nicht so geisthaft wie bei Stina Nordenstam. Und erstaunlich: Die Stimmung beider Songs passt zueinander, die EP ist rund, in jeder Hinsicht, denn physisch gibt es sie als 10“ in blauem Vinyl.

Bleibt zu hoffen, dass man nach dem Debüt, der Split-EP mit Psychonaut aus dem Jahr 2021 und nun dieser EP alsbald wieder neues eigenes Material von Sâver bekommt. Die drei Musiker Markus Støle, Ole Christian Helstad und Ole Ulvik Rokseth kommen aus der Doom-Sludge-Metal-Szene Oslos, in Bands wie Tombstones, Hymn und Kite, und spielen als Sâver tatsächlich fabelhafte eigene Musik mit den Beinen in vielen Schubladen. Und auch Frøkedal hat schon diverse Bands in ihrer Vita stehen: I Was A King, Lady Hardanger, Dharma und Harrys Gym, da lohnt sich wohl der Griff ins Regal, um mal ihre anderen Sachen kennenzulernen.