Von Guido Dörheide (19.01.2023)
Ryūichi Sakamoto. Der Musiker. Der Mythos. Die Legende. Der metakongeniale Mitgründer des Yellow Magic Orchestra, Miterfinder und einer der Hauptprotagonisten des Yellow Magic Orchestra Hairstyle. Der Typ mit dem Soundtrack von „Der letzte Kaiser“, zusammen mit David Byrne. Der Kämpfer gegen die Fortsetzung der Atomenergie in Japan. Der Mann, der mit traumwandlerischer Sicherheit in mehr musikalischen Genres zuhause ist, als ich Autos vor der Tür zu stehen habe. Bis auf das kleine rote Auto aus der Produktion eines namhaften Herstellers, der in Sakamotos Heimatland beheimatet ist, gehören alle diese Autos leider nicht mir, sondern anderen Leuten, wie z.B. Björn Schmidt aus Celle, das sei hier aber nur am Rande erwähnt.
Eben genau dieser Ryūichi Sakamoto hat mit „12“ am 17. Januar 2023 (also NICHT an einem Freitag – Sakamoto wurde am 17.01.23 71 Jahre alt und ist somit auf den Tag genau fünf Jahre jünger als mein Vater) ein beeindruckendes Album veröffentlicht, auf dem er sich mit seiner im Verlauf der letzten Jahre überwundenen Krebserkrankung auseinandersetzt. Während der Arbeit an dem Album befand sich Sakamoto irgendwann im Stadium 4 der Krebserkrankung, so dass nicht klar war, ob er die Arbeit an dem Album überhaupt noch zuende bringen könnte.
Das Instrumentalalbum ist dementsprechend ein sehr ruhiges und in sich gekehrtes geworden, es beginnt mit viel Klavier, zu dem sich düster-bedrohliche Synthesizerklänge hinzugesellen. Mehr nicht. Und mehr braucht es auch nicht. Die stilistische Ausrichtung des Werkes würde ich – zugegebenermaßen als blutiger Laie auf diesem Gebiet – als irgendwo Richtung Klassik mit irgendwie immer etwas Jazz bezeichnen. Was ich aber auch sofort gleich als ziemlich Wurst befinden möchte: Sakamoto baut dunkle und immer toll klingende Klanglandschaften auf, die die Hörenden entweder als Hintergrundberieselung mal so nebenbei oder mit voller Konzentration in einem abgedunkelten Raum mittels Kopfhörer anhören können, beides funktioniert super.
In jeder einzelnen Sekunde des Hörens wird deutlich, dass Sakamoto sich auf „12“ mit niemand Geringerem als dem Tod auseinandersetzt, die Melodien sind traurig, aber auch gleichzeitig hoffnungsvoll, die Instrumentation ist wahrhaft minimalistisch, und mehr braucht es hier nicht, um den Hörenden nacheinander bzw. abwechselnd Tränen in den Augen, Gänsehaut auf den Armen sowie Gefühle der Hoffnung und Dankbarkeit zu verursachen.
Die 12 Tracks tragen keine Namen, sondern sind mit Datumsangaben vom 10. März 2021 bis zum 4. April 2022 versehen, was dem Album eine tagebuchähnliche Wirkung verleiht. Track 12 tanzt datumsmäßig aus der Reihe, er stammt vom 4. März 2022 und enthält das Klimpern eines Windspiels im Wind. Ein berührender Abschluss eines berührenden Albums.