Von Matthias Bosenick (08.12.2016)
Bei einem Preis von 50 Euro plus P&V für die limitierte Doppel-CD und mit Blick auf die eher mittelmäßigen Alben seit über zehn Jahren fragt man sich, ob man das neueste Album von Project Pitchfork wirklich braucht. Aus dem einst Skinny-Puppy-infizierten, geräuschlastigen Elektro ist längst wohlklingender Pop geworden, die Eigenständigkeit blieb nach zaghaften Erfolgen vor den Charts hängen. Andererseits sind solche limitierten Ausgaben von Project-Pitchfork-Alben recht schnell recht wertvoll. Na, gut, einmal noch. Und dann die Überraschung: Inmitten vertrauter Standardkompositionen funktioniert offenbar der Verzerrer wieder. Kann man gut hören, das Album. Châpeau!
Ein bisschen sehr plakativ sind die Songs von Project Pitchfork immer noch. Manche Kompositionen wirken wie von einem Hobbymusiker nachgehört: einfach, wirkungsvoll, vertraut. Es fühlt sich halt schön an in den Charts, im Mainstreamclub, im Frühstücksfernsehen. Dieses Mal verlässt Bandchef Peter Spilles aber ein Wenig die Komfortzone, indem er einige Sounds auf eine Weise durch den Verzerrer schickt, die man von den Alben von vor über 20 Jahren noch in angenehmer Erinnerung hat. Es scheppert und brummt, schnarrt und bratzt, und Spilles‘ rauhe Stimme ist auch nicht gerade die gefälligste. Das tut sehr gut, das so zu hören. Ungeübten würden womöglich von „Industrial“ sprechen, aber da sollten sie mal Throbbing Gristle, Esplendor Geométrico oder Dive hören.
Es ist erstaunlich, wie dicht viele Aspekte bei den Pitchies am Schlager gebaut sind, ganz so, wie es in der Gruftiszene leider seit Jahrzehnten Mode ist. Dabei liegen die Chartserfolge doch auch schon wieder 15 Jahre zurück, da hätte das Umdenken viel früher erfolgen müssen. Doch tobte sich Spilles in Nebenprojekten aus, die bewusst unkommerziell angelegt waren, wie das experimentellere Imatem (da gibt’s grad beide vergriffenen Alben als Doppel-CD neu) oder das albernpeinliche Santa Hates You. Zwar kann Spilles die Pitchies von poptauglichen Gefälligkeiten nicht befreien, doch muss man zähneknirschend zugeben, wie eigentlich bei jedem Album, sobald man es nach ein paar Wochen erneut hört, dass sich die Songs ins Gehör und dann ins Herz festbeißen und man sich beinahe ärgert, diese plakativ-simplen Sachen zu mögen. Doch das bleibt nicht aus. Irgendwie sind sie eben gut.
Sonst würde man ja auch nicht so viel Geld für sie ausgeben. Mit dem zweiten richtigen Album „Entities“ begannen Project Pitchfork 1992, limitierte Fassungen mit einer Bonus-CD anzubieten. Heute sind diese Exemplare unbezahlbar. Oft wusste der Durchschnittshörer gar nicht, dass es die entsprechende Version überhaupt gab, weil das auch nicht bei jedem Album der Fall war: Weiter ging’s 1994 mit „IO“, dann 1998 mit „Eon:Eon“, erst 2009 mit „Dream, Tiresias!“, 2010 mit „Continuum Ride“, 2011 mit „Quantum Mechanics“, 2013 mit „Black“ und 2014 mit „Blood“. Die Tracks der ersten drei Bonus-Mini-CDs erhält man immerhin auf der Compilation „Collector: Lost And Found“, die sich auch aus anderen Gründen mindestens für den geneigten Sammler lohnt.
Auf der neuen Bonus-CD gibt’s einen unveröffentlichten Song sowie fünf Neubearbeitungen von Songs, die Spilles dem vorliegenden Album entnahm. Dieses Konzept betreibt er seit einigen Alben schon so. Außerdem steckt die Musik in einem Büchlein in quergelegtem DVD-Format, das einem Schuber zu entnehmen ist. Man kriegt also wirklich was fürs Geld. Vergleicht man das allerdings mit der limitierten Best-Of der Szenegenossen Deine Lakaien, dann liegen die Pitchies weit zurück: Die Best-Of der Lakaien kostet als Box mit Buch und vier CDs nur halb so viel.