Von Matthias Bosenick (17.04.2024)
Man darf ja noch hoffen, dass Peter Spilles nach Corona-Pandemie und Krankheitsausfall an sein nächstes Album als Project Pitchfork anders herangeht als zuvor, aber nein, „Elysium“, der dritte Teil einer 2018 begonnenen und auch gleich unterbrochenen und wie auch immer strukturierten Trilogie, setzt den Schlager-Weg der einstigen Electro-Darkwave-Helden aus Hamburg fort. Pluspunkt für Spilles ist, dass er Scheubi, seinen Mitstreiter seit 1988 – damals noch als Demoniac Puppets –, vor die Tür setzte, weil jener in der Coronazeit zu schwurbeln begann. Ist doch alles recht billig hier im „Elysium“, auch wenn es teilweise hart herüberkommen will: Melodien und Harmonien mit einigen Clicks am PC zusammengeschoben und drübergekrächzt, bisschen Bummbumm, paar Balladen, dazwischen Meeresrauschen, wie schon 1995 auf „α Ω“. Wann kam das letzte gute Album der Mistgabeln heraus – ist es wirklich schon mehr als 20 Jahre her? Man darf ja noch hoffen.
Ja, einige Sounds knallen mit Härte aus den Boxen, gleich der Opener „Galaxies“ etwa oder auch „Der Tanz“, angereichert mit typischen Düster-und-dunkel-Electrobeats, drei Schritte vor und drei zurück, erhöhtes Tempo, jau, das wummst. Aber reimt der da wirklich „Gedanken“ auf „Schranken“? Gottchen, und dabei ist das noch nicht mal der Tiefpunkt in diesem Song – hier wollen „Mikroben“ endlich „nach oben“ und so. Doch sind die Akkordwechsel wie auf diesem gesamten und den Alben davor auch schon so extrem billig und vorhersehbar – und, noch schlimmer, dem Schlager so nahe, dass der Kitsch-Vorwurf allein schon nicht mehr ausreicht, um diese Frechheit zu klassifizieren. Das bekommen Amateure zu Hause mit Cubase und Pro Tools zusammengeclickt, das erfordert ja nicht einmal kompositorisches Können. Einige Presets laufen lassen, einige Effekte dazu, läuft.
Effektvoll ist das hier sehr wohl, es erfüllt, was sich die Leute heute unter Gruftmucke so vorstellen: plakativ, einfach, zugänglich, niedrigschwellig, bekömmlich, mithin kitschig. Immerhin nicht ganz so furchtbar wie Szenekollegen wie Lord Of The Lost, Blutengel, ASP, Gothminister oder Mono Inc, von den Rammstein-Klonen und den Mittelalterpiraten ganz abgesehen (obwohl ein Dreivierteltakt-Song wie „Memories“ da leider gut hineinpasst). Man hat die Sounds und Modulationen schon unzählige Male gehört, nicht nur im Electro- und Wave-Bereich, sondern seit den Flippers auch schon ganz woanders. Zum Schlageresken tragen die Backingvocals von jemandem namens Sue bei den Songs „Unity“ und „Learning To Live“, letzteres eine furchtbare Pianoballade, bei, die partybefördernde Großbühnentauglichkeit erprobt „Axiom“ mit dem Mitgrölrefrain.
Nicht zuletzt sind diese neuen Songs von Spilles‘ Songs auf seinen vorhergehenden Alben nicht wirklich unterscheidbar, es fehlen die Alleinstellungsmerkmale und somit die Gründe dafür, diese Alben überhaupt aufzunehmen. Schön, er hat einen Mitteilungsdrang, in „Blind Mice“ etwa prangert er den Umgang der Menschen mit der Erde an, doch fehlen hier die musikalischen Besonderheiten, die hängenbleibenden Songs. Außerdem wird der Zusammenhang zu den 2018 erschienene Alben „Akkretion“ und „Fragment“ nicht klar, mit denen „Elysium“ eine Trilogie bilden soll; auch wenn man zurückblättert, was macht Alben wie „Look Up, I’m Down There“ (2016), „Blood“ (2014), „Black“ (2013), „Quantum Mechanics“ (2011), „Continuum Ride“ (2010), „Dream, Tiresias!“ (2009) oder „Kaskade“ (2005) einzigartig? Erst ab „Inferno“ (2002) rückwärts bekommen die Alben, die Songs ein wiedererkennbares Format, bis hin zu den noch von Skinny Puppy und anderen EBM- und Darkwave-Größen beeinflussten Neunziger-Alben und –EPs.
Wie auch schon die genannten Alben gibt es auch „Elysium“ als limitierte Version, hier abermals im überteuerten Buchfomat und mit einer Bonus-CD, auf der mit „Is It You?“ ein okayer exklusiver Track enthalten ist, dazu verzichtbare Remixe von den Kitschsongs „Unity“ und „Der Tanz“ und eine clubbige Langversion von „Transformation“, einem der tanzbaren Radiopopsongs des Albums, die nicht weiter auffallen, mit ihren vorprogrammierten Drumfills und dem Düdelü. Und ewig plätschern die Wellen, bringen aber nur abgewetztes, nutzloses Strandgut mit. Hier ist wirklich kein Song drauf, den man anderen auf ein Mixtape spielen würde, und das mit sechs Jahren Vorlauf. Es hätte ja sein können, man darf ja hoffen.