Von Matthias
Bosenick (31.07.2019)
Als satirischen Kommentar zur
Weltlage veröffentlichen die Pet Shop Boys parallel zu ihrer
Live-DVD „Inner Sanctum” eine 12”-EP mit vier neuen Songs über
Reiche, Social Media, Dummheit und andere globale Probleme, die sie
auf ihrer Kritik-„Agenda“ haben. Haltung und Humor des
Synthiepopduos passen, very british indeed, nur klingt der Synthiepop
sogar für die Pet Shop Boys etwas zu synthetisch. Musste wohl
schnell gehen. Und ist physisch inzwischen auch schon so etwas wie
vergriffen.
Die EP gibt einen
groben Querschnitt über das, was man in 35 Jahren so musikalisch von
den Pet Shop Boys schon mal gehört hat: fröhliches Uptempo, launige
Melodien, Synthiesounds, Chöre, Opulenz, griffige Hooks,
Ohrwurmfutter, tanzflächentaugliche Rhythmen und zum Abschluss eine
Ballade. So richtig etwas Neues haben sie sich dafür nicht wirklich
einfallen lassen, einfach nochmal halbwegs vertraute Melodien in
vergleichsweise simple Sounds und Beats gepackt, Hauptsache, die
Botschaft stimmt und die Pet Shop Boys sind grundsätzlich
wiedererkennbar.
Neil Tennant und Chris Lowe kommentieren
die Gegenwart. Mal wieder: Das taten sie bereits mit ihrer ersten
Single „West End Girls“ 1984. Heute äußern sie sich indes
deutlicher und positionieren sich sozial eingestellt und
kapitalismuskritisch; bei Konvertierten werden sie damit zwar nicht
für größere Aha-Momente sorgen, aber bei Unreflektierten
womöglich, dann hat sich die EP schon gelohnt.
Zunächst
bekommen Politiker wie Donald Trump und Boris Johnson ihr Fett weg:
„Give Stupidity A Chance“, fordern die Pet Shop Boys sarkastisch
zum powerballadesken Mitschunkeln. Und weil solche Figuren auch noch
Wähler haben, zeigt das Duo der Bevölkerung
balearisch-clubtauglich, wie die sich „On Social Media“ verhält:
selbstverliebt und politikverdrossen, ansonsten hätten Ego-Selfies
schließlich einen geringeren gesellschaftlichen Stellenwert als
politisches oder soziales Engagement. Und mit dem Konsum der
entsprechenden Geräte für die Selbstfeierei fördern die Massen den
Reichtum Weniger, die sich indes mit ihrem Geld in der Regel selten
humanitär einbringen, weshalb die Pet Shop Boys zum spaßigen
Dreivierteltakt-Stampfbeat fragen: „What Are We Going To Do About
The Rich?“ Mit einem leicht schalen Geschmack indes, schließlich
gehören Tennant und Lowe sicherlich auch dazu, zumindest zu den
Reichen, wenn auch nicht zu den kapitalistischen Ausbeutern.
Die
ironisch-satirische Stimmung halten die Pet Shop Boys für drei
Tracks aufrecht, dann werden sie abschließend ernst, traurig gar: In
„The Forgotten Child“ sorgen sie sich um die Zukunft der Jugend,
die sich zwar gern in ihren Smartphones spiegelt, aber damit eben
korrupter Politik und gierigem Kapitalismus freie Bahn lässt – und
sich letztlich selbst aufs Abstellgleis schiebt. Doch sieht das Duo
nicht in jedem Abgehängten eine Eigenverantwortlichkeit, sondern
verweist auf die tatsächlichen Verlierer dieser Systeme.
Da
die Pet Shop Boys mit ihrer in 36 Jahren gesammelten Fanbase und der
dank ihrer breitenwirksamen Hits großen Aufmerksamkeit, die sie
bekommen, doch einigermaßen im Rampenlicht stehen, ist davon
auszugehen, dass sie mit ihrer „Agenda“ auch viele Menschen
erreichen. Immerhin liegt das letzte Album „Super“ inzwischen
auch schon drei Jahre zurück, man erwartet ohnehin etwas von ihnen
und hört vielleicht etwas genauer hin. Als weiteres Zeichen der Zeit
gibt es diese EP daher nur als Download – und sehr limitiert auf
Vinyl. Okay, für ganz Reiche ist auch noch eine CD-Version mit Buch
im, nun, Angebot. Was machen wir nur mit denen?