Von Matthias Bosenick (06.08.2020)
So klingt das also, wenn der Modfather allmählich in sein Alterswerk übergleitet. „On Sunset“ ist ein schönes handgespieltes souliges Popalbum von Paul Weller, mit Songs, die spätestens beim dritten Hören in Kopf und Herzen feste Plätze gefunden haben – und mit dem wohl hässlichsten Cover seiner Karriere. Was indes fehlt: Biss, Experimente, Rock’n’Roll. Das kann man verkraften, wenn die Lieder so frisch und hübsch sind, nur feiert man Weller damit dann nicht gerade als den musikhistorischen Visionär, der er eigentlich ist. Es lohnt sich, wie immer, übrigens die Deluxe-Version der CD mit den Bonus-Tracks.
Gleich der Einstieg ist wohl am besten gelungen: In über sieben Minuten deckt der „Mirror Ball“ eine Vielzahl ein Stilen ab, beginnt zögerlich klimpernd und ufert dann noch überraschend opulent aus. Der kann Songs schreiben, der Weller, das kann er seit 45 Jahren und das belegt er mit „On Sunset“ auch heute noch. Seine Lieder sind gleichsam catchy und bisweilen verschachtelt, in der Albummitte lässt er sich für „More“ und das Titellied etwa jeweils über sechs Minuten Zeit, um sie zu entfalten, mit allen kompositorischen Kniffen, die ihm so einfallen – und genau diese Stücke sind auch sehr besonders. Funk und Orchester!
Weil er es sich wohl leisten kann, lud Weller unzählige Mitmusiker für „On Sunset“ ins Studio. Die Idee für die Flöten entlieh er sicherlich bei Amorphous Androgynous, die vor zehn Jahren mal Remixe für „Wake Up The Nation“ anfertigten. Und er lässt es zu, das in Rockkreisen seit den Achtzigern verpönte Saxophon auf eine Art einzusetzen, dass man nichts dagegen einwenden kann. Entsprechend weich ist trotz grundsätzlichen Rockinstrumentariums die gesamte Musik dieses Albums, weicher noch, als man es The Style Council damals unterstellte. Man mag nicht gleich die Yacht ausparken, Softrock wäre auch als Etikett zu fies – Soulpop kommt der Sache nahe, reicht aber der Vielfalt wegen nicht aus.
Aber. Die Knackigkeit von The Jam oder mittleren Solosachen, die Experimentierfreude der späteren Solosachen, das kommt auf „On Sunset“ nicht zum Tragen. Den Weller indes, den hört man trotzdem heraus, mit seiner angeschmirgelten Stimme und seinen typischen Strukturen. Ein Song hat sogar einen Nullerjahre-Britpoprhythmus, aber das fällt nicht groß negativ auf, weil der Song selbst viel zu ansprechend komponiert ist. Der kann halt, der Weller, und der kann gut.
So richtig vollständig ist „On Sunset“ übrigens auch erst in der Deluxe-Version, die drei (in Japan vier) exklusive Songs (und ein Büchlein) beinhaltet, die den Spanungsbogen weiterführen, sowie das Titelstück mit definitiv passender Orchesterbegleitung sowie der Instrumentalversion eines Albumtracks, bei der man sich schon fragt, was es damit auf sich hat, denn wer will Weller-Songs ohne Weller hören. Ganze Alben gar: Das vorletzte, „A Kind Revolution“, gab es in der Deluxe-Version mit zwei Bonus-CDs, davon eine mit exklusiven Stücken – und eine mit den Instrumentalversionen des Albums. Die man sich nicht wirklich zweimal anhört.
15 Alben in 25 Jahren, dazu zahllose EPs, Best-Ofs und Live-Alben, dazu das jeweilige Oeuvre von The Style Council und The Jam – bei Weller fällt das Sammeln schwer. Aber es lohnt sich, und für „On Sunset“ gilt das ebenfalls. Es ist sicherlich keine avantgardistische Großtat, aber zeigt Weller als großartigen Songschreiber, der die Härten des Lebens gut genug kennt, um auch mal den weichen Seiten den Vortritt zu lassen.