Von Matthias Bosenick (05.05.2025)
Kürzt man den Projektnamen Ornah Mental ab, erhält man OM, die buddhistische Mantra-Silbe. Das dürfte kein Zufall sein, denn Gitarrist Dirk Schlömer macht unter dem Alias Ornah Mental seit 25 Jahren eine Musik, die man als Ambient bezeichnen darf, also Entspannung, Chill-Out, Trance, Meditation, alles das. So auch auf dem neunten Album mit dem unmissverständlichen Titel „Neun“, das mit Achtziger-Pop-Anleihen, orientalischen Atmosphären und versunkenen Gniedel-Gitarren eine Einladung zum Eskapismus ausspricht. Und sofort erfüllt, sobald man sich drauf einlässt.
Gitarristen, die Ambient machen, sind ja keine Seltenheit, aber zumeist generieren sie die Flächen mit der Gitarre und lassen diese nach Synthies klingen. Anders Schlömer, der mit Synthies arbeitet und seine Gitarre als krautiges, proggiges Gniedelinstrument dazuholt und sie in die Flächen und Sounds einbettet. Das gelingt ihm auf „Neun“ so gut, dass die Gitarre in den Tracks nie als Fremdkörper wirkt, immer wie eine Selbstverständlichkeit, wie ein natürlicher Bestandteil dieser Musik. Ganz egal, wie Schlömer die ausprägt, die Gitarre passt immer. Er spielt sie versunken, introvertiert, gniedelt sie in den Pophimmel, passend zu den Synthies, die ihrerseits bisweilen – und besonders kombiniert mit dem Saiteninstrument – den Sound der Achtziger reflektieren. Trotz der moderneren Herangehensweise an diese Form vom Ambient.
Ein weiteres wiederkehrendes Motiv sind orientalisch gehaltene Strukturen, etwa bereits im Opener mit dem irreführenden Titel „Damo Suzuki“, in dem Schlömer die Gitarre schon mal wie beschrieben zu langsamen Beats gniedeln lässt und einen Pop-Groove entwickelt, der das Orientalische transportiert. Im harmonischen Klagegesang zum Nahost-Krieg „Qais (GazaGazaGaza)“ liegen solche Strukturen immanent, auch der „Zebra Dub“ greift sie auf und fühlt sich damit weit mehr nach Kamel an als nach dem Titeltier. Den Dub hört man hier auch nicht wirklich. Jener Track beginnt eher wie „Global Eyes“ von The The, mit der etwas tiefer gespielten Gitarre zu Electrosounds, geht von dort aus aber experimentell weiter.
Experimente und Spielereien sind ein nächstes wiederkehrendes Merkmal. In „Das Floß“ baut Schlömer inmitten eines Chores und warmer Gitarren verspielte Electro-Glitches ein, das Interludium „Orna-Mynth XVIII – Tangerine“ setzt diese mit industrialartigen Beats fort, bevor es zum Ambient zurückkehrt. Dieser Tracks setzt überdies die bereits 2001 auf dem Debüt „A To Z“ begonnene Reihe an „Orna-Mynth“ genannten Zwischenspielen fort, von denen es auf „Neun“ noch zwei weitere gibt.
Zurück zum Album: „Afro Mental ‘25“ beginnt als Downbeat, als chillige Strandparty, abermals mit einer Ambient-Pop-Gitarre, die hier angenehm an die von Grace Jones erinnert. Die Trompeten überraschen etwas, und so richtig der Afro aus dem Titel kommt hier nicht zum Ausdruck, aber nicht schlimm. Den chilligen Kopfnicker-Beat nimmt „Q‘enQo“ auf, der zunächst nach Strand klingt, später nach Wüste. Die Gitarre flirrt und gniedelt wieder, man denkt an „In Dreams“ von Pete Bardens.
An zehnter Stelle findet sich mit „St. Bernhard“ die einzige Kooperation des Albums: Das Stück spielte Schlömer mit Bernhard Wöstheinrich am Keyboard ein. Es beginnt sehr low mit Shaker und Piano, bis sanfte Drones hinzukommen und ein Downbeat-Schlagzeug, für das Schlömers Schl@g!-Mitmusiker Carsten Agthe verantwortlich ist, der ihm hier sämtliche Schl@g!-Instrumente abnimmt. Zuletzt gibt’s 20 Minuten lang den „OM – Dub“, den man tatsächlich so etikettieren kann, mit getoasteten Dub-Effekten drin, einem Echo auf der Gniedelgitarre und einem angedeuteten Offbeat. Dabei bleibt’s natürlich nicht, Schlömer lässt den Track noch um einiges herummäandern.
„Neun“ ist also nicht einfach nur Ambient mit nur einer Stimmungslage, selbst die auf Strecke ausgelegten Tracks reichert Schlömer mit Untiefen und Ziselierungen an, die den Hörgenuss bereichern. Die Kombination aus analogen und synthetischen Instrumenten geht perfekt auf, auch der gelegentliche Gesang fügt sich ins Soundbild ein.
Schlömer ist auch so einer von den umtriebigen Leuten. Sein Werdegang fußt auf der Mitgliedschaft bei (The) Cöln, einer New-Wave-Rockband, Anfang der Achtziger, und der anschließenden als Gitarrist bei Ton Steine Scherben, von 1983 bis 1985. Daraus folgten diverse Engagements bei TSS-Folgeprojekten. Weitere Stationen waren diverse Projekte mit Sängerin Raphaela Hermes, darunter Amygdala und Das Zeichen, sowie Zikato mit Helmut Zerlett von der Harald-Schmidt-Show. Und eben seit 25 Jahren Ornah-Mental.