Von Matthias Bosenick (13.10.2022)
Alt.-Country steht als eines von vielen Etiketten auf dem Minialbum „You“ von Old Town Crier, dem Solo-Projekt des Multiinstrumentalisten Jim Lough, der mit dieser EP drei demokratische US-Politiker bei den Mid-Term-Elections unterstützen will. In den fünf Pop-Perlen liegt noch viel mehr: Der unterschwellige Fuzz und die Rotzigkeit von 60s-Garage-Rock etwa, die balladeske Melodieseligkeit weit gefasster Gesten, der Galopp des Punkrock, 50s-Verve. Abgesehen davon, dass man es mit knapp einer Viertelstunde klasse Musik zu tun hat, ist es nicht nur derzeit überall notwendig, Demokraten zu unterstützen.
So richtig klassischen Country bekommt man hier nicht, gottlob, und in Nashville hätte Jim Lough vermutlich mit dem Sound seiner Old Town Crier seine liebe Not, ganz abgesehen von seinem demokratischen Anliegen. Die Uptempo-Nummer „Coal River Mountain“ kommt Country & Western noch am nächsten, aber die Slidegitarre nickt eher in Richtung Mojo Nixon, hat also etwas kreativ Zerstörerisches mit Humor, das den Song nur umso attraktiver macht. Der Titeltrack steckt vielmehr im klassischen Soul, den Lough per Zeitmaschine in eine Garage in den Sechzigern schiebt und bei seinem Verstärker den Fuzz-Regler betätigt. „Dawnland“ und „Radio On“ sind die beiden Balladen, die mit ordentlich Popappeal, etwas Doo-Wop und eingesetzten Beatles-Harmonien auch in einer Fünfziger-Milchbar durchgekommen wären. Letzterer sogar mit geil groovender Orgel!
Nun ist Lough zwar Multiinstrumentalist, kann aber auch eine EP wie „You“ live nicht komplett allein einspielen. Dem Sänger stehen daher versierte Leute zur Seite: Bassist Alex Bilodeau, Schlagzeuger Avery Logan, Gitarrist Garrett Jones, Keyboarderin JennHwan Wong und Saxophonist Stephen Byth. Seine Debüt-EP „I’m Longing For You Honey In Middleboro, Mass“ nahm er im vergangenen Jahr wohl noch allein auf. Und eigentlich spielt Lough die Mandoline bei der Bluegrass-Band Riley Coyote (bzw. RiLeY CoYoTe) aus Middleboro.
Die Demokraten, die Lough mit dem Erlös aus dem Verkauf dieser EP unterstützt, sind Christine Olivo aus Florida sowie Angelica Dueñas und Derek Marshall aus Kalifornien. Sie sind sämtlichst Mitglieder der Demokraten, und wir wissen, wie notwendig Demokraten in der Weltpolitik sind. Über genauere Programme liegen dem Rezensenten keine Informationen vor, jedoch lohnt der Erwerb der EP auch aus musikalischer Sicht: Man bekommt eine fabelhafte Viertelstunde Musik.