Nautilus – The Mystery Of Waterfalls – Sireena 2020

Von Matthias Bosenick (14.04.2020)

Ein recht merkwürdiges Album: Musikalisch zunächst etwas uneigenständig zwischen Kitsch und Standardprog, entwickelt die Band Nautilus alsbald eigene Ideen – auf der Grundlage von technoiden Beats. „The Mystery Of Waterfalls“ wirkt als Ganzes wie ein Sampler, der von Berliner-Schule-Ambient über Pink-Floyd-Fingerübungen bis hin zum Trance-Techno eine überraschend breite Stilpalette bedient. Auf ihrem Weg „20.000 Meilen unter dem Meer“ hat die Nautilus jedoch so manche Untiefe zu umschippern.

Besonders am Anfang knirscht man etwas mit den Zähnen, wenn sich etwa in „Point Of Return“ ein kitschig-floydiger Keyboardteppich unter Twin-Gitarren wie in Fleedwood Macs „Albatross“ legt und die Drumpatterns dazu mit wie für einen Schlager gebastelten Fills pluckern, während der Sänger kryptische Texte singt, die vermutlich mit Jules Verne zu tun haben. Harter Stoff! Auch eine zu spärlichem Piano mit Synthflächen gegniedelte weitere Floyd-Gitarre im dritten Poprock-Stück in Folge löst nicht die allergrößten Begeisterungsstürme aus, und dann sind schon zwanzig Minuten rum.

Wer es bis dahin ausgehalten hat, wird allerdings überrascht: Das vierte Stück „Water Ride“ entpuppt sich als tranciges Technostück, das tatsächlich so klingt, wie es heißt. Wasser plätschert im Hintergrund, während ein flüssiger Bass die treibende Grundlage für einen Ritt auf dem Strom bildet und die Beats sanft, aber bestimmt das Tempo vorgeben. Unvorstellbar, dass das aus derselben Schmiede stammt wie die Tracks davor.

Und direkt danach, denn der „Summerwind“ ist wieder nur ein laues Lüftchen, ein beatloses, gelegentlich die Tonart wechselndes Klimperstück mit Gegniedel. Das allerdings nur ein Zwischenspiel bis zum nächsten Technostück ist: In „Mobilis in Mobile“ sind die Beats fordernder, die unter dem Achtziger-Choral-Synthie liegen, bevor das Stück in gewitterumtoste Synthie-Experimente und wieder zurück wechselt. Nummer sieben gniedelt dann wieder konturlos. Der achte kombiniert dann endlich beide Welten, indem ein analogen Sequenzerblubbern unter dem Gniedeln liegt, inklusive spät einsetzendem Beat, der der Musik neue Ebenen verschafft. Das Stück erinnert an „Metallic Spheres“, die Kooperation von David Gilmour und The Orb, und bietet mit seinen elektronischen Details die beste Wanderfläche fürs innere Auge.

Track neun experimentiert mit dem Schlagzeug zu Ambientflächen, indem sich das Hihat und die Snare jazzartig um die Synthscapes rütteln. Zuletzt entlässt „The Kindness Of Rain“ den Hörer weitere zehn Minuten lang ins schwermütige, newagige Gniedeln. Ist ja alles recht nett und gefällig, aber es ist eben auch nicht mehr als nett und gefällig, wenn die Gilmour-Gedächtnis-Gitarre auf diesem Album das Ruder übernimmt. Da hätte mehr Mut gutgetan, und dass Nautilus grundsätzlich mutig sind, beweisen ja die unproggigen technoiden Anteile. Damit schafft man sich unter Prog-Puristen nicht zwingend Freunde, das setzt man schon bewusst ein, und wenn man diesen Schritt wagt, kann man auch gleich einige weitere gehen. Mehr eigene Handschrift, ein weniger anbiederndes Verbeugen vor den eigenen Helden wäre angemessen gewesen. Schade drum, aber so reicht es immerhin für drei, vier anhörliche Tracks, die aus der Masse herausragen.

Zwölf Jahre lang, so sagt es die Info, lag das 1998 gegründete Projekt Nautilus still. Wie der Bandname verrät, dreht sich alles um Jules Verne und dessen Romane, und das siebte Album nun nimmt sich die Geschichte rund um den Namensgeber vor, „20.000 Meilen unter dem Meer“. Auch mit dieser Vorgabe wäre bei diesem Album eigentlich etwas musikalisch Spannenderes zu erwarten gewesen. Nun sei hier noch die bandinterne Neuerung benannt, nämlich mit Meiko Richert der erste Einsatz eines Sängers in der Nautilus-Historie; Martin Ludwig ist nach dem Weggang von Ralf Obel 2008 der einzig verbliebene Projektgründer, Werner Strätz steht ihm seit Beginn als Gitarrist zur Seite, Grobschnitt-Musiker Eroc als Mixer, und seit 2008 ist Jürgen Dürrbeck der neue Kompagnon am Keyboard.