Von
Matthias Bosenick (16.04.2020)
Eines der wohl kuriosesten
Musikprojekte der Erde setzt seinen Weg unbeirrt fort: Die Musik des
Duos Nac/Hut Report aus Kraków ist eigentlich keine, denn es gibt
keine Rhythmen, so gut wie keine Melodien, und die Stücke sind nicht
einmal überhaupt durchgehend gespielt, sondern ständig
unterbrochen, zerhackt. Das Merkwürdigste daran ist aber wohl, dass
die Alben trotzdem hörbar und sogar schön sind. Wenn man sich daran
gewöhnt hat. Das neueste Album gibt es dieses Mal physikalisch
ausschließlich als Tape.
Bei
der Musik des polnischen Duos handelt es sich nicht einmal um Lärm,
obschon die Zutaten dafür gewährleistet sind. Es flirrt ein
Instrument wie ein Drone durch den Raum, ein weiteres ertönt
zerhackt dazu, eine weibliche Stimme wispert, zerbrechlich, wie es
Stina Nordenstam vielleicht tun würde. Es quietscht, dröhnt,
rauscht, gurgelt, sirent, hupt, ein aus dem Ruder laufendes Theremin
zirpt, die Sampledatenbank ist in einen Magneten geraten, die
Bandmaschine ist drauf und dran, einen Salat zuzubereiten, und die
Aufnahmetaste hat einen Wackelkontakt. Setzt man die Fragmente im
Kopf zusammen, kommt man aber nicht umhin, das Ergebnis trotzdem als
schön zu empfinden.
Denn der Rausch, den Nac/Hut Report
erzeugen, ist ein stiller Rausch, der Lärm ist ein gewaltloser Lärm,
die Schönheit dieser Musik ist ein Ausdruck von Ohnmacht den
Fordernissen der Welt gegenüber. Depressiv ist die Stimmung nicht,
aggressiv auch nicht, wenngleich eine spürbare Kraft aus ihr
herauszuhören ist; schließlich gehört einiges dazu, eine solche
Anhäufung von Geräuschen als Musik zu bezeichnen und in die Welt zu
lassen. Und das ganz ohne Beat, und also auch so gut wie ohne einen
Rhythmus, den man allerhöchstens aus den gehauchten Litaneien
erahnen kann. Glitch-Industrial-Kammer-Jazz-Avantgarde.
Sicherlich,
„Transmisja Z Przesilenia“, „Die Übertragung der Sonnenwende“,
birgt kaum Varianten zu den bisherigen vier Alben des Duos. Unbeirrt
setzen Jadwiga Taba und LM ihren Weg fort, und ebensowenig, wie man
die Alben auseinanderhalten kann, gelingt dies mit den einzelnen
Tracks auf ihnen; sie ergeben einen Gesamtfluss, über die zehn Jahre
hinweg, die Nac/Hut Report jetzt musizieren. Und weil Schallplatten
und CDs längst aus der Mode gekommen und Downloads nicht greifbar
sind, gibt es das neue Album auch als Tape. Und spreche bitte niemand
vom Nachthup-Report.