Von Matthias Bosenick (27.10.2017)
Auf zum nächsten Entwicklungsschritt: Machte Amalie Bruun 2014 noch damit Furore, dass die einstige Popsängerin (einst Minks und Ex Cops) sich unter dem Namen Myrkur als Ein-Frau-Black-Metal-Projekt etablieren wollte, was in traditionellen BM-Kreisen auf erwartbaren Widerstand stieß, aufgeschlossene Hörer aber nicht nur aufhorchen ließ, und stieß sie ihr gewonnenes Publikum später mit einer sakral anmutenden Live-EP vor den Kopf, integriert sie nun auf ihrem zweiten vollwertigen Album „Mareridt“ folkloristische Elemente in ihren Sound, die deutsche Gruftis an Mittelalterbands erinnern könnten, aber selbstredend von höherer Qualität sind. Dieser postmoderne Black Metal erstaunt immer wieder.
Und was für eine anhörliche Stimme Bruun hat: Klar, geradlinig, umfangreich, hoch, und als nächstes schon tief grunzend oder keifend. Bisweilen lässt sie ein Hauchen zu, das an ätherische Sängerinnen wie Loreena McKennitt oder Enya erinnert und musikalisch diese Analogien mit Folklore inmitten des Gebolzes unterstreicht. Bruun mausert sich in Sachen Komposition, ihre Stücke sind abwechslungsreicher, die Knüppelpassagen in hymnisches Jubilieren eingebunden. Sie weiß, wie sie Dunkelheit und Härte mit Schönheit und Leichtigkeit so zu kombinieren hat, dass keine von beiden Stimmungen deplatziert wirkt oder sie sich gar gegenseitig aufheben. Ihr größtes Verdienst ist dabei, dass sie trotzdem gängige Gefälligkeiten vermeidet, sowohl im Metal als auch im Pop. Oder im Doom und in der Folklore.
Anders als zuvor lässt Bruun auf „Mareridt“ nicht mehr so sehr das Ein-Personen-Ding heraushängen. Das hatte sie ohnehin nie einhalten können, Gastmusiker hatte sie von Anfang an. Dieses Mal hat sie Gäste auf der Liste, für deren Teilnahme man nur tirilieren mag: Chelsea Wolfe, Schwester im Geiste, nimmt an bis zu zwei Liedern teil (je nach Version des Albums), und als Gitarrist ist auf der limitierten Version Ole Luk vertreten, Sänger und Gitarrist von Solbrud sowie Betreiber des Projektes Afsky, für dessen ausstehendes Debüt sich Bruun wiederum kürzlich an der Nyckelharpa aufnehmen ließ. Von den ebenfalls artverwandten Wolves In The Throne Room ist Schlagzeuger Aaron Weaver dabei, außerdem gegenwärtige und ehemalige Leute von Master Musicians Of Bukkake, The Accüsed, Euzen und viele mehr. Ein kleiner Chor darf auch nicht fehlen, das gehört zum Myrkur-Universum seit „Mausoleum“ einfach dazu.
Eine großartige Platte, eine spannende Platte, eine wunderschöne Platte, und nicht zuletzt eine lange Platte, zumindest, wenn man die limitierte Version mit 16 Tracks auf buntem Splatter-Vinyl erwischt, mit der einseitig bespielten Bonus-LP mit Etching auf der B-Seite. Darauf findet sich kein Ausschuss, die EP erweitert das Album nicht nur, sie vervollständigt es. Ansonsten endete es – in der normalen Vinyl-Version zumindest – mit dem verstörenden Kinderquälerrequiem „Børnehjem“, das einen nun wirklich nicht gesammelt in den Alltag zurückkehren lässt. Die CD hat einen Track mehr als diesen, die limitierte CD wiederum einen weniger als die limitierte LP und der Download. Viel Spaß bei der Jagd.