Von Matthias Bosenick (01.12.2020)
Vom Trash zum Thrash: Schreihals Mike Patton schart einige Ex-Kumpels von Mr. Bungle sowie zwei prominente Genregäste um sich, um das Debüt-Tape seiner Highschoolkapelle Mr. Bungle unter Coronabedingungen neu einzuprügeln. Wer die Band wegen des zappaesken offiziellen Debüts lieben lernte, wird hiervon vielleicht erstmal enttäuscht sein, weil es, und das ist wiederum das Schöne daran, ein lupenreines, kraftvolles, groovendes, melodiöses und humorvolles Thrash-Metal-Album geworden ist. Die echten Wurzeln eben. So geht Erwachsenwerden, Boomer!
Das originale Tape kann man sich im Grunde nicht anhören; nicht nur, weil es eine Rarität ist, sondern auch, weil es einen miesen Sound hat und eben noch von blutigen Amateuren eingeprügelt wurde. Nix dagegen, so sollte jeder anfangen! Folgt man indes dem kompositorischen Pfad von Mr. Bungle, kann man nur staunen, was in so kurzer Zeit aus der Kapelle wurde: Den lupenreinen Thrash erweiterte die Band recht schnell um allerlei abseitigen Spielkram, Vaudeville, Latino, Schlager, Swing, Funk, Ska, was auch immer, und fügte alles in gekonnt geklauten Zappaesken zusammen. Das offizielle selbstbetitelte Debüt ist ein Prachtwerk, dessen Qualität die Band selbst mit den beiden immerhin sehr guten Nachfolgern nicht mehr erreichen sollte.
Und nun also ein Rückgriff auf die Ursprünge, die man indes nicht kennt, wenn man erst mit der ersten CD oder LP eingestiegen ist, und wenn man ein Album in jenem virtuos kunterbunten Stil erwartet, ist man von diesem vergleichsweise schlichten „Demo“ zunächst enttäuscht. Thrashmetal gibt’s doch schon, was soll das also, denkt man sich. Erst die Recherche fördert den Irrtum zutage und lässt beim nächsten Hördurchlauf die Ohren anders ausgerichtet. Dann hört man nämlich erst heraus, wie knüppelhart die fünf altgedienten Metaler spielen und wie viel Humor sie in den Neuaufnahmen unterbringen. „La cucaracha“ geht über in das in „Habla Español o muere“ umbetitelte „Speak English Or Die“ von S.O.D. – und damit ist ein direkter Link zu den Gästen dieser Reunion gelegt.
Denn Mike Patton, der sich seinerzeit mit den Mr.-Bungle-Tapes für die Sängerposition bei Faith No More empfahl, reaktivierte vom Original-Lineup lediglich Trevor Dunn und Trey Spruance – und für die verbleibenden Instrumente Dave Lombardo von Slayer und den gemeinsamen Projekten Dead Cross und Fantômas sowie Scott Ian von Anthrax und ebenjenen S.O.D. Und wo Mr. Bungle nicht mehr so sehr nach Mr. Bungle klingt, hört man eben deutlich die Galoppriffs von Anthrax oder die Prügelbeats von Slayer heraus. So erfrischend tight war Thrash Metal seit diversen Jahren nicht mehr, das ist ein Verdienst dieser Neuauflage.
Zudem bilden Mr. Bungle ihr Demo nicht komplett eins zu eins ab, sondern verändern die Reihenfolge, lassen Teile weg, nehmen unveröffentlichte Tracks aus der Zeit hinzu und reichern es mit Coverversionen an, neben S.O.D. auch „Loss For Words“ von Corrosion Of Conformity. Im neu eingefügten „Methmetics“ klingt das Riff von „Love Is A Fist“ an, bereits bekannt vom Debüt sowie Insidern vom Tape „OU818“. Immerhin für eine akustische Verwirrung sorgten Mr. Bungle schon im Original: Der Opener „Grizzly Adams“ ist ein entspannter Chill-Out-Gitarren-Track, der schlicht vor sich hin gniedelt, bevor die Band richtig loslegt. Und mit „Eracist“ ist ein gnadenloser Ohrwurm drauf, der auf dem Original nicht enthalten ist, danke dafür!
Wer sich im Internet umhört, kann die spannende kreative Entwicklung von Mr. Bungle nachvollziehen: Von der ersten C30-Cassette „The Raging Wrath Of The Easter Bunny“ 1986 über ein Split-Tape mit Rancid Decay sowie das zweite Tape „Bowel Of Chiley“ 1987, das Tape „Goddammit I Love America!!!$ɫ!!“ 1988 und das finale Tape „OU818“ 1989 bis zur ersten offiziellen Platte „Mr. Bungle“ 1991 sowie natürlich den beiden Nachfolgern „Disco Volante“ 1995 und „California“ 1999. Da wäre es natürlich schick gewesen, im Zuge des vorliegenden „Demos“ die alten Tapes – in welcher Soundqualität auch immer – ebenfalls für alle wieder zugänglich zu machen, und wer weiß, was Patton da als Labelchef noch in petto hat. Auf der Neuaufnahme fehlt übrigens das Stück „Evil Satan“, der Rest ist enthalten, also sieben von nun elf Stücken. Was hier auch fehlt, ist der Einsatz von Saxophon, Kazoo und Maultrommel wie auf dem Tape. Ebenfalls nicht enthalten ist leider die Online-Single „USA“, die Mr. Bungle Anfang 2020 veröffentlichten. Das Album gibt es in diversen Formaten, neben Download und CD auch in verschiedenen Vinylfarben sowie als CD im schicken „Yearbook“. Party like it’s 1986!