Von Matthias Bosenick (12.08.2025)
Beinahe fühlt es sich an wie Verrat, dass „Moon’s Mallow“, die vierte Schallplatte der Psychedelic-Britrocker gleichen Namens aus Bari, trotz melancholischer Grundierung so gutgelaunt daherkommt – schließlich ist es das Vermächtnis von Claudio Colaianni, dem Gitarristen, den Bandkopf Gioia Coppola von den Heavy-Psych-Helden Anuseye und That’s All Folks! für sein Projekt übernommen hatte, denn er verstarb Anfang Juli. Hier hört man ihn und die ganze Band in voller Spielfreude ein Album einrocken, das auch ohne den Trauerflor etwas Besonderes ist.
Der Rock, den Moon’s Mallow machen, hat eine andere Ausrichtung, als es der Zusammenhang mit Heavy Psych erwarten ließe: Eine deutliche Prägung britischer alternativer Musik der Neunziger lässt sich nicht von der Hand weisen, auch stimmlich ist die Nähe zu Luke Haines nach wie vor gegeben, denn Gioia Coppola singt wie jener in etwas höherer Lage. Mit dem durchgehenden Einsatz von zwölfsaitiger Akustikgitarre trägt die Band zusätzlich dazu bei, dass es hier nicht um Härte geht. So schimmert durchaus auch mal ein David Bowie der Sechziger durch, wenn etwa in „Forget The World“ Chorgesang und Handclaps den Song anreichern.
Mehrstimmiger und Background-Gesang sind ohnehin wiederkehrende Elemente bei Moon’s Mallow. Ebenso etwas Shakendes, das hinter vielen Songs liegt, von dem man sich dazu animiert fühlt, seinen Körper in rhythmische Bewegung zu bringen, und das ganz gleich, ob die Band im Vierviertel- oder, wie in „My Side“, „Tonight“, „Forget The World“ oder „Mountain“, im seetauglichen Dreivierteltakt zu Werke geht. Mit Keyboards unterstreichen Moon‘s Mallow außerdem den Pop-Faktor ihrer Songs, obschon manch ausgedehnte Gniedelpassage dem entgegensteht. Ja, man hört Claudio Colaianni einige Soli performen, da schluckt man dann schon recht schwer und freut sich, dass er sich auf dem Album so ausgiebig austoben durfte. In „No Madhouse“ klingen dabei sogar Pink Floyd durch. Nicht zu unterschlagen das Schlagzeug, das sich hier auch mal wie in „Gaza e Kharkiv“ kaskadenartig ausrumpeln darf, und der Bass treibt die zehn Songs zusätzlich an.
Der Band gelingt eine komplementäre Kombination: Einerseits tragen die Songs das Muntere, das zum Mitmachen Animierende, die gute Laune in sich, und doch eine gewisse Schwermut, selten auch eine latent aggressive Rauhheit, mit denen diese Songs ihre Bodenständigkeit beibehalten. Für den achtminütigen Rauswerfer „Rare“ werfen Moon’s Mallow nochmal einige Zutaten zusammen und neue hinzu: In der Mitte wird der Track komplett reduziert, Bass und Schlagzeug übernehmen kurz, dann bekommt der Bass den mächtigsten Fuzz und der Song kehrt zurück. Der besteht zu Beginn aus einem Rhythmus, den man in den Neunzigern in Manchester verortet hätte, und zuletzt aus einer Art Countrypunk – mit schier endlosem Solo von Colaianni.
Dessen Verlust ist schmerzlich, für seine Angehörigen, aber auch künstlerisch. Mit seiner Heavy-Psych-Band That’s All Folks! setzte er in den Neunzigern nicht nur in Italien wertvolle Pflöcke, mit seiner Nachfolgeband Anuseye nahm er den Faden auf. Zuletzt reaktivierte er That’s All Folks! sogar zur Freude aller Gefolgsmenschen und spielte ausgewählte Songs mit leicht veränderter Bandbesetzung neu ein. In der Band Moon’s Mallow seiner Freundes Gioia Coppola übernahm er bereitwillig eine Nebenrolle, vom ersten Album „Against All Gods“ an, das 2021 erschien. „Moon’s Mallow“, das vierte Album in nur fünf Jahren, wie alle zuvor auch auf Vinyl zu haben, ist nun sein Abschied.
Im April 2020 hätten Anuseye nach des Rezensenten Vermittlung im Sauna-Klub zu Wolfsburg spielen sollen, zusammen mit den lokalen Stonerrockern Steamgenerator. Wer so weit zurückdenken kann, erinnert sich vielleicht noch daran, dass Termine zu diesem Zeitpunkt von einer pandemischen Situation unmöglich gemacht wurden. Ein Nachholtermin stand seitdem im Raum. Ich hätte dich gern persönlich kennengelernt, Claudio.
[Edit] Gioia lässt wissen, dass die Soli von Fabio Mongelli stammen, dem zweiten Gitarristen, Keyboarder und Percussionisten. „Claudio tat, was er konnte, in seiner Verfassung“, berichtet Gioia.
In diesem Zusammenhang seien auch die anderen Bandmitglieder aufgeführt: Lisa Florio am Schlagzeug und mit Backing Vocals, Michele Rossielo am Bass sowie als Gast Stefania Morcia mit Backing Vocals.