Von Matthias Bosenick (18.07.2023)
Die kreuzatlantische Zusammenkunft findet ein Update: Jack Dangers als Meat Beat Manifesto aus Swindon in England und sein langjähriger US-amerikanischer Freund Benjamin Stokes alias Dimensional Holofonic Sound, also DHS, aus San Francisco plündern auf den vier Tracks dieser 12“ ihre eigene elektromusikalische Vergangenheit und generieren etwas Zukünftiges daraus. 808-Acid-Sounds, Breakbeats, 70er-Vocoder, trockene House-Beats, Kraftwerk- und Aphex-Twin-Anleihen, alles drin, was man von beiden und sonst so aus der synthetischen Welt kennt, seit mindestens 40 Jahren und über das gemeinsame Projekt Tino hinaus.
Im Opener „Pandemic“, der vermutlich nicht zufällig so heißt, kreist der 808. Die Sounds sind so derbe 1988, dass man das Cover umdreht und nachguckt: Doch, da steht 2023 drauf, das ist neu. Muss auch, denn die Beats sind anachronistisch: So gedämpft und monoton waren die damals noch nicht, das klingt neuzeitlicher. Kopfnicken garantiert, der Track erinnert an die Zeit, als Acid House noch ein Feindbild war, sofern man nicht den passenden Drogen verfiel, und man erst, wie bei sarenwama Oliven, später auf den Geschmack kam, nicht zuletzt auch Dank Meat Beat Manifesto, die einem so manches insgeheim verhasstes Genre ans Herz legten, ohne dass man das begriff, weil sie die Stile in einem experimentellen Kleid darboten, das über die reine Lehre weit hinausragte und mit seinen gebrochenen Beats und kakophonischen Sounds der Avantgardeseele schmeichelte.
„Aggressive Mantis Squad“ stolpert mit Break Beats herum, die nach einem dynamischen analogen Schlagzeug klingen, wie man es von Meat Beat Manifesto aus der jazzigen „At The Center“-Zeit kennt. Ja, Jazz! Die Sounds darunter sind typisch Jack Dangers, leicht dissonant, aber ohne zu stören und ohne direkt aufzufallen, pinseln sie farbverschobene Hintergründe auf die Leinwand, über der eine „Taschenrechner“-artige Dudelmelodie strahlt. Prince-Schrei-Sample inklusive.
Die flotten, wie auf „Satyricon“ dem Hip Hop entlehnten Drumsounds in „Automatic Mouth“ knallen extrem trocken. Auch hier erinnern manche Synthiesounds an Kraftwerk, darüber quatscht der Titelgeber, ein uralter Vocoder sondert unverständliches Zeug ab und deutet abermals in Richtung der großen Düsseldorfer. „International Soundsystem“ zerhackt die Drumsounds wieder und verändert deren Tonhöhen, auch das kennt man von Dangers, aber auch von Aphex Twin. Der Abschlusstrack deutet mithin in Richtung IDM. Trotz eingestreuter Synthiesounds dominieren hier die Break Beats.
Natürlich ist es nicht einfach, 2023 noch Musik zu erstellen, die nach Zukunft klingt, deshalb ist das Beste, was man machen kann, das Bisherige neu zu vermengen, und so verfahren Stokes und Dangers auf „Man From Mantis“, also dem Gatten der Gottesanbeterin; sie hat ihn bekanntlich zum Fressen gern. Zudem legen sie sich nicht auf ein Genre fest, sondern bedienen pro Track ein anderes als Grundlage für den Crossover mit noch weiteren. Es überrascht dabei, dass der den beiden und deren Breakbeat-Projekt Tino eigene Dub hier komplett fehlt. Ist natürlich alles nerdiges Gefrickel hier, aber verdammt geil seit den Achtzigern!