Von Matthias Bosenick (28.12.2018)
Was für eine Entwicklung: Wie aus der stumpf-martialischen Electro-Krawall-Combo eine rücksichtsvoll agierende Politgruppe wurde. Laibach liefern mit ihrer Version des Musical-Soundtracks „The Sound Of Music“ quasi den Soundtrack zu ihrer eigenen Dokumentation „Liberation Day“, die davon handelte, wie die Band, die einst von Slowenien aus loszog, autoritäre Regimes ironisch zu kopieren und sie damit bloßzustellen, ins autoritäre Nordkorea reiste, um dort überraschend rücksichtsvoll als erste Band aus dem Westen (und das als Band aus dem früheren Ostblock!) ein Konzert zu geben. Das Alpenmusical „The Sound Of Music“ stellt dabei den Score zu einem Nordkoreanischen Lieblingsfilm dar, dem sich Laibach ebenso behutsam nähern wie der Bevölkerung vor Ort. Respekt!
Die für Laibach typische Ironie liegt in den Zwischentönen. Die Tat als solche, nämlich in Nrodkorea aufzutreten, ist durchaus als Ironie auszulegen, jedoch vielmehr das Vorhaben, nicht die Umsetzung, denn Laibach und Konsorten lassen den Gastgebern jede Würde, trotz der gezeigten Umstände, die den Zuschauer zwischen Loslachen und Kopfschütteln treffen. Doch legen Laibach stets Wert darauf, die Wünsche der Gastgeber zu erfüllen, seien sie auch noch so absurd, weil es ihnen lieber ist, überhaupt die Menschen vor Ort zu erreichen, als Krawall zu erzeugen und das interne Bild Nordkoreas vom imperialistischen Westen noch zu bestärken.
Das schlägt sich auch in der Musik nieder. Das Original, also der Hollywoodfilm zum Broadway-Musical, kam im deutschsprachigen Raum 1965 als „Meine Lieder – meine Träume“ in die Kinos und zeichnete – trotz der pathetischen Alpenromantik durchaus kritisch – den Versuch einer Gesangskarriere im bald schon von Nazis okkupierten Österreich nach und prägte das Bild jenes Landes vor allem in Weltgegenden, die nicht zu den Anrainern gehören. Die vergleichbare Propagandakulisse muss wohl einer der Aspekte sein, der die Volksseele Nordkoreas berührt. Interessanterweise steckt indes in den Originalliedern weit mehr Expertise, als es zunächst scheint: „Do-Re-Mi“ etwa behandelt die korrekte Wiedergabe der Tonstufen auch auf musikalischer Ebene und „My Favourite Things“ entwickelte sich zur Vorlage diverser Jazz-Varianten.
Zwar kopiert Laibachs Version von „The Sound Of Music“ nicht komplett den plakativen Kitsch des Originals, doch dringt einiges davon natürlich auch auf diese Schallplatte. Was Laibach nun nicht aus den Liedern machen, ist ihr seit 1984 typischer Stampf-Electro. Vielmehr agieren sie mit erneuter Unterstützung des slowenischen Electroprojektes Silence als organische Band mit elektronischen Elementen und arrangieren „The Sound Of Music“ zu einer beinahe sanften Popplatte mit sparsam eingestreuten Absurditäten um. Ein Kuckucksruf etwa wirkt beinahe albern, ist aber angebracht und authentisch. An anderen Stellen bricht die Band mit dem eingeleiteten Soundgewand und kippt den Song dann in eine andere Richtung, aber nie an den Abgrund; in den Broadway-Pomp eingeflochtene Koreanische Versatzstücke etwa sind so kunstvoll wie augenzwinkernd.
Selbst das für Laibach wohl charakteristischste Element kommt nur dezidiert zum Einsatz: Die tief grollende Stimme des optischen Aushängeschildes Milan Fras, der seine Sangesrolle hier durchgehend mit anderen Ensemblemitgliedern, männlichen wie weiblichen, teilt, sogar mit einem Kinderchor. Möglicherweise schaffen Laibach mit „The Sound Of Music“ nicht nur ein Lehrstück in Sachen Völkerverständigung bei gleichzeitiger Regimeentlarvung, sondern auch noch den niedrigschwelligsten Zugang zum eigenen Werk.
An die neun ausgewählten Songs aus dem Film hängen Laibach mit „Arirang“ ein Nordkoreanisches Volkslied, das sich in dieser Version so perfekt ins Album fügt, dass man den Unterschied kaum wahrnimmt. Die CD-Version hat mit „The Sound Of Gayageum“ ein weiteres Lied der Gastgeber zu bieten und damit den vermutlich einzigen klassisch nach Laibach klingenden Song. Als zweiten Bonus gibt es die Begrüßungsrede von Mr. Ryu, der Laibachs Vorhaben als Vertreter des Kommitees für Kulturelle Beziehungen zunächst ablehnt. Beide Bonus-Tracks liefert auch der Download, der der goldenen Schallplatte beigefügt ist, obwohl für die zusammen dreieinhalb Minuten auf dem Vinyl sicherlich noch Platz gewesen wäre.