Von Matthias Bosenick (03.12.2024)
Sobald man liest, Bertrand Pot, der einzige Kopf hinter dem Projektnamen Jisei, habe die Bedeutung des gleichnamigen japanischen Konzeptes in Musik umsetzen wollen, nämlich, eine letzte Nachricht kurz vor dem Suizid oder absehbaren Ableben, erwartet man von der selbstbetitelten Debüt-EP etwas andere Musik – schwermütig ist sie, aber nicht so düster. Kalte Elektronik bestimmt den letzten Gruß an die Hinterbliebenen, fanfarenartige Soundscapes, minimalistische Beats, ein Synthie-Ausflug ins All, in andere Welten mithin. Das Finale gerät sogar überraschend freundlich.
„Le silence du monde“ ist gar nicht so still, die ersten acht Minuten der EP gehören eine Art Fanfare, endlos gedehnt und sich mit Ambient-Drones und anderen spacigen Sounds verwickelnd. Der bass- und beatlose Track rauscht mitten hinein in die Erinnerung an die Synthie-Experimente von Jean Michel Jarre, man sieht förmlich eine Laser-Orgel vor Augen. Beats dringen erst mit der Vorab-Single „2themoon“ in den Sound ein, ein klickernder Rhythmus steppt zu den hohen Fanfaren, den Drones und den Synthiepatterns, es entwickelt sich eine schwermütige Melodie, gleichwohl dramatisch wie erhebend.
Allmählich mogelt sich etwas Bass ein, die Musik bekommt Groove, „Mt. Pèlerin“ hat etwas von einem eiskalten Trip Hop zu dominanteren, aber unterschwellig weiterhin komplexeren Beats. Es bleiben die Fanfaren, nur gedehnter, und der Track verstärkt das Bild von einem SciFi-Soundtrack. Zum Finale wird Jisei mit „Hoo-Oo“ beinahe poppig: Kalte Kopfnicker-Beats und ein Knarz-Bass begleiten repetitive, teils abermals hohe Soundcsapes, die alsbald Interferenzen bilden, sogar leicht nervöse, und letztlich ganz kurz als freundlicher Synthiepop die EP beenden. Wenn danach der Tod kommt, ist man als Gehender gut vorbereitet; als Bleibender fröstelt es einen.
Aus Monthey in der Schweiz kommt Bertrand Pot, der mit Jisei gar nicht seinen Einstand im Biz feiert. Vielmehr die Nachfolge seiner zehnjährigen Aktivitäten als Gitarrist der progressiven Sludge-Metaler Herod, die er vor einem Jahr beendete. Oder auch nicht: Als Jisei trat er bereits 2020 in Erscheinung, als er mit Cedric Raccio, mit dem er zudem das Projekt Dance! Under The Lightbringer betreibt, den Track „Apnoe“ veröffentlichte. Die „Jisei“-EP ist dennoch als Debüt zu werten, eines, das ohne Klischees die Kälte des nahenden Todes in Musik umsetzt.