Jim Jarmusch & Anika – Father Mother Sister Brother – Sacred Bones Records 2025

Von Matthias Bosenick (04.12.2025)

Wesentlich ruhiger als die Soundtracks, die Regisseur und Sqürl-Bandmitglied Jim Jarmusch für seine früheren Filme machte, ist der zum nächsten Film „Father Mother Sister Brother“, den der Gitarrist mit der Berliner Musikerin und Sängerin Anika aufnahm. Auf die Drones, wie er sie auch gern und grandios mit Jozef van Wissem erzeugt, verzichtet er hier, stattdessen verfällt er maximal auf minimale Soundscapes, auf mitternächtlichen Jazz, auf Ambient. Tom Waits, einer der Hauptdarsteller jenes Films, ist leider nicht zu hören.

Ehrlich: Der Rezensent dachte beim Hören des Songs „These Days“, dass Anika ihn zu Jarmuschs zartem Gitarrenspiel auf eine Weise singt, dass er nach Nico klingt. Da wusste der Schreibende noch nicht, dass Nico tatsächlich eine Version dieses Liedes von Jackson Browne aufgenommen hatte, an der sich die vorliegende Darbietung orientiert. Würde man sagen: gelungene Reminiszenz! Und spooky irgendwie auch. „Spooky“ ist zudem der Titel des Openers dieses Soundtrackalbums, und der Song erinnert wiederum an einen anderen, nämlich an „Fever“ von Peggy Lee, mit dem jazzigen Kontrabass-Hintergrund und dem gelegentlichen Fingerschnipsen. Indes, es handelt sich dabei um einen Song von Dusty Springfield.

Diese beiden Coversongs waren die Ausgangslage für Anika und Jarmusch, die miteinander an Wurlitzer (Anika) und diversen elektrifizierten Gitarren (beide) herumexperimentierten. Jarmusch nahm die Mitschnitte mit und bearbeitete sie zu den vorliegenden Miniaturen, die den Score des Films darstellen. Der fiel erstaunlich behutsam aus, anders als erwartet, einmal aufgrund der bisherigen Erfahrung mit dem Noise-Drone-Musiker Jarmusch und dann aufgrund der Ausgangslage zweier Improvisierender. Sie halten sich zurück, sie erschaffen Eindrücke, Ideen, Emotionen, minimale Soundscapes, Ambient-Texturen, sehr spätnächtlichen Jazz. Oder auch mal Surfmusik, erstaunlicherweise, so ab „Twins“ und mit „Skaters“, später mit „Jetlag“ nochmal, indes so, als hätten sie den US-Bundesstaat mit Jamaica verwechselt, also eher bekiffte Surfermucke. Ein Schlaginstrument ist in diesen wenigen Minuten – das Album ist kaum eine halbe Stunde lang – nicht zu hören, dafür aber in der abschließenden „Berlin Version“ von „These Days“ das Kaleidoskop String Quartet, das dem Song eine zusätzliche Dimension beifügt. Ein warmes, dunkles, trotzdem kuscheliges Album.

Bei jener Anika handelt es sich um Annika Henderson, einer Deutsch-Britin, deren Debütalbum „Anika“ 2010 zusammen mit Beak> entstand. Hohe Würden schon zu Beginn also. Sie und Sqürl begegneten sich vor drei Jahren auf der Party zum 15. Geburtstag des Labels Sacred Bones Records, waren von der Performance der jeweils anderen Partei angetan und beschlossen die Zusammenarbeit zum vorliegenden Soundtrack.

Der Film „Father Mother Sister Brother“ kommt an Heiligabend in den USA ins Kino, in Deutschland erst zwei Monate später. Tom Waits, der Sänger, der seine Karriere seit „Bad As Me“ aus dem Jahr 2011 ruhen lässt, abgesehen von seinem Beitrag „Bella Ciao (Goodbye Beautiful)“, den er 2018 für das Album „Songs Of Resistance 1942-2018“ seines Gitarristen Marc Ribot aufnahm, spielt eine der vier Hauptfiguren, ist auf dem Soundtrack indes bedauerlicherweise nicht zu hören. Weitere Schauspielende sind Cate Blanchett, Charlotte Rampling und Adam Driver, was viel verspricht und Hoffnung darauf macht, dass sich Jarmusch nach seinem Reinfall „The Dead Don’t Die“ wieder im Griff hat.

Die LP kommt in diversen Farben heraus, beim Label gab es sie in biolumineszentem Vinyl, was auch immer das bedeutet, aber immerhin sieht es schmuck aus. Und hört sich gut an.