Von Matthias Bosenick (04.03.2024)
Zeitreise zurück in die Achtziger, als Mainstreamrock noch voller Keyboards sein durfte und man an großen Gesten und Gegniedel seine wahre Freude hatte. Ein nur in geringer Auflage produziertes Live-Album aus dem Jahr 1988 buddeln die Schatzsucher von Sireena hier aus, das sogar vorletzte Album, das unter dem ursprünglichen Namen Jane ohne Prä- oder Postfixe erschien – es folgte ein weiteres Live-Album im nächsten Jahr, danach zersplitterten sich die Hannoveraner, die einst als Kraut- und Progrocker begannen. Als Gast ist hier unter anderem der eigentlich längst ausgeschiedene Charly Maucher dabei. „Live ‘88“ klingt exakt nach der Zeit, in der es entstand, und das, obwohl sich Jane vorrangig bei ihrem Siebziger-Material bedienen, mit Hymnen, Balladen, Soli und einer gehörigen Schippe Kitsch – und macht trotzdem überraschend viel Spaß.
Weil das im Hannoveraner Capitol aufgezeichnete „Live ‘88“ seinerzeit ausschließlich auf Vinyl erschien, ist es für die Verhältnisse eines Jane-Konzertes recht kurz gehalten: Acht Songs, davon ein Medley und ein Schlagzeugsolo. Das folgende „Live ‘89“, ebenfalls im Capitol aufgeführt, stellte im Grunde eine erweiterte Fassung dieses Tondokuments dar, obwohl es ebenfalls auf eine LP passte. Rockmusik aus den Achtzigern und aus Hannover gleichzeitig, nicht, dass da jemand die Scorpions erwähnt, obwohl deren Gestus hier in homöopatischen Dosen durchaus herausschmeckbar ist, in den balladesken Momenten. Aber man hört auch andere Spät-Achtziger-Rocker durch, die Simple Minds etwa, vielleicht Klaus Lage oder Bap, etwas Foreigner oder Saga, ein bisschen Marillion eventuell, aber so viel Prog- oder Krautrock, wie auf dem Etikett der Band eigentlich stehen würde, bekommt man hier gar nicht, obwohl es sich bei den meisten Songs strenggenommen genau darum handelt. Harten Rock überdies ebenso wenig. Und trotzdem, man ist verwundert, dass man diese schmockige Art von Rockmusik 35 Jahre später plötzlich gut finden kann.
Dafür gibt’s hier ein Wiederhören mit lauter Leuten, die inzwischen verstorben sind: Keyborader Werner Nadolny verließ den Planeten erst im vergangenen Jahr, Schlagzeuger Peter Panka bereits 2007 und der als Gast für drei Lieder wieder hinzugestoßene Bassist und Sänger Charly Maucher 2019. Percussionist Detlev „Dete“ Kuhlmann verstarb 2022 und Gitarrist Thomas Kretschmar folgte 2023, dann längst als Udo-Lindenberg-Gitarristin Carola Kretschmar. Die weiteren Mitmusizierenden waren Gitarrist Klaus Walz, ehedem bei Epitaph, und die Bassistin und Sängerin Stephanie Shea. Als zusätzliche Gäste sangen Martina Maschke, Petra Steffens und die Gitarristin Anca Graterol. Und ja, diese Gesänge machen einen Unterschied, sie tragen einen Gospel-Anteil in die Keyboardrockmusik von Jane.
So richtig die erste Wiederveröffentlichung von „Live ‘88“, einer LP, von der seinerzeit nur 300 Exemplare gepresst wurden und die nie in den Handel gelangte, ist dies indes nicht: 2013 erschien das Album als „Live im Capitol 1988“ unter dem Alias Peter Panka‘s Jane auf CD. Für Sireena erfuhr die Aufnahme indes eine Politur und erhielt eine Repro des Original-Covers.
Die Tracklist:
01 Lady (Original „(Wishdream) Lady“, von „Lady“, 1975)
02 Medley: Try To Find (von „Together“, 1972), Wind (von „Together“, 1972), River (von „Live At Home“, 1977)
03 Energy (Drum Solo) (exklusiv)
04 I Need You (von „III“, 1974)
05 Out In The Rain (von „Here We Are“, 1973)
06 Beautiful Lady (von „Beautiful Lady“, 1986)
07 Hangman (von „Together“, 1972)
08 So So Long (von „Lady“, 1975)