Jahresrückblick 2025

Von Chrisz Meier, Onkel Rosebud, Guido Dörheide, Matthias Bosenick

Den dritten Jahresrückblick machen die kernbeitragenden KrautNick-Mitmachenden zu viert! Dreimal ist Tradition, also lassen wir den Begriff dieses Mal gelten. Kommt gut ins nächste Jahr, liebe Lesenden!

Chrisz Meier

Daß ich auch mal gefragt werde, einen persönlichen Jahresrückblick zu schreiben… Was soll ich sagen – damit hatte ich nicht gerechnet. Umso schlimmer, daß ich zu einigen der Rubriken, die unser allseits geschätzter Krautnick-Herausgeber aufgestellt hat, wenig bis nichts zu sagen habe.

Aber der Reihe nach:

1. Persönliches Event

Das war ganz eindeutig die Hochzeitsfeier von Jörn und Katharina am 5. Juli im Jugendhaus Ost/WOB. Ganz wunderbar, mit Live-Wunschkonzert einiger befreundeter MusikerInnen inkl. myself. Love&Peace auf allen Kanälen, Speis und Trank 1 A, einfach nur ein großartiger Abend. Ein Fest der Freundschaft, das mir, und ich glaube, auch allen anderen, noch für Wochen das Herz gewärmt hat, was auch mal bitter nötig war. Zwar kurz darauf, aber trotzdem in einigem Abstand folgte dann übrigens der Rille Elf-Abend in Harrys Biergarten/BS am 19. Juli, auch sehr gelungen!

2. Song

Da kann ich nichts zu sagen. Es blieb kein besonderer Song hängen in diesem Jahr.

3. Peinlichstes Lieblingslied

Wind Of Change. Nein, Scherz! Auch dazu kann ich nichts sagen.

Meine Lieblingslieder sind nicht peinlich. Punkt. Und WoC kann ich nicht ausstehen.

4. Album

Uhhh, schwierig. Ich bin hin- und hergerissen zwischen „Blodager“ von Bissesvinet und „In Ways“ von Slung. Während ersteres ein ziemlich unverdaulicher Brocken aus, wie ich schrieb, „Zorn, Angst, Wut, Neid, Lust, Hass und Tod“ ist, der aber eine Sogwirkung entwickelt, ist letzteres leichter verdaulich, was aber nicht mit massenkompatibel verwechselt werden sollte. Ein Album wie ein breiter, tiefer, majestätisch vor sich hinfließender Fluß im Licht des Vollmondes. Mehr dazu demnächst in der Rubrik „Liegengeblieben“.

5. Konzert

Rosalie Cunningham am 10. September in Münster. Der schon nicht sehr große Konzertraum im Rare Guitar Shop war nur zur Hälfte gefüllt, was ca. 60 bis 70 Menschen bedeutet. Die sich aber alle wie Bolle gefreut haben dürften, an jenem Mittwoch dorthin gegangen zu sein. Was Frau Cunningham und ihre vier MitstreiterInnen dann ablieferten, war so dermaßen gut, daß ich fast durchgehend Gänsehaut hatte und mir die Freudentränen in den Augen standen. Und wenn ich mich mal umsah in dem halbleeren Laden, sah ich hier und da eine Kinnlade auf dem Boden liegen. Die Band ließ sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als in der Mitte des Sets der Verstärker der Gitarristin und Sängerin Cunningham ausfiel. „Zum Glück sind wir ja in einem Gitarrenladen, right?“ lautete ihr lakonisch-pragmatischer Kommentar, und richtig: Kurze Zeit später stand ein Ersatzgerät auf der Bühne und weiter ging der wilde Ritt. Zur Musik sage ich jetzt mal gar nichts, da ist Eigeninitiative gefragt. Nur das Fazit möchte ich verraten: Wer auf handgemachte, eigenständige, in hoher, aber nie aufdringlicher Perfektion dargebotene Musik von grundehrlichen, gutaussehenden Künstlern, die keinerlei Schnickschnack für eine überzeugende, umwerfende Bühnenpräsenz brauchen, steht, sollte jetzt nach Tourdaten von Rosalie Cunningham und Band suchen.

6. Kinofilm

Ich gehe schon lange nicht mehr ins Kino. Zu viele unerträgliche Begleitumstände dort. Im Heimkino sah ich so einiges, darunter aber wenige Filme, die mich komplett begeistert haben. Ganz weit oben steht aber „Die Fotografin“ mit Kate Winslet in der Rolle als historische Lee Miller. Als Kriegsfotografin erlebt sie Unerträgliches. Brilliant gespielt und umgesetzt.

Auf Platz 2 und 3 setze ich den wahrscheinlich allseits bekannten „Life Of Chuck“ und die Rettungssanitäter-Dramedie „Code 3“.

7. Serien


Puhhh, schwierig. Richtig umgehauen hat mich auch hier nichts. Ganz schön schräg war natürlich „Severance“. Aber lief die nicht schon 2024? Auch ganz nett ist die zehnteilige Serie über die fiktive Mittsiebzigerjahreband „Daisy Jones & The Six“, auch wenn ich sagen muß: So, wie dort dargestellt, funktioniert eine Band und funktioniert Musikmachen nicht, Leute!

8. Buch

Tja. Einiges gelesen, hängengeblieben nix.

Stattdessen empfehle ich das Gesellschaftsmagazin „Dummy“.

Vier Ausgaben pro Jahr, jeweils ein Schwerpunktthema („Müde“, „Weiße“, „Nerven“ und ähnliche). Immer interessant, oft überraschend, mit klarer Haltung. Nämlich gegen Rechts und Oben.

Auch sehr lesenswert: Das „Isidor“-Fanzine. Dreimal im Jahr macht ein Enthusiast das, worauf er Bock hat. Schräge Artikel über Setlist- oder Plektronsammler, Beiträge über peruanische Andenmusiker der 70er Jahre, völlig unbekannte Filme, Bass-Effektgeräte… Diese beiden Publikationen bringen mich gut durch das Jahr.

9. Podcast/Hörspiel

Kann ich nix zu sagen. Podcast – wozu? Und bei Hörspielen schlafe ich immer ein… Was ich immer gerne höre, sind Sendungen im Bürgerfunk wie Radio Okerwelle. Radio von und für Nerds.

10. Gestorben und betrauert

Hardy Crueger, die Kessler-Zwillinge (Respekt!) und Udo Kier (Tipp: „Swan Song“ nochmal gucken!).

Nicht betrauert habe ich diesen Rechtsextremen aus den USA, Name zum Glück schon vergessen. Da halte ich es mit El Hotzo: „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben.“

Allen Krautnickern wünsche ich einen schönen Dezember inkl. Jahreswechsel. Bis die Tage, alles Gute und viel Spaß!

Onkel Rosebud

1. Persönliches Event

Sommerurlaub mit meiner Freundin in Nova Scotia: Buckelwale in freier Wildbahn zu sehen, ließ mich extrem demütig werden. Aber eigentlich war mein persönliches Event 2025 Schmerz. Nach dem Trip an die kanadische Ostküste habe ich mir „die Zähne machen lassen“. Was da genau stattfand, erspare ich der werten Leserschaft, aber ich hatte dabei eine bisher unbekannte komplexe Sinneswahrnehmung. Ein Nozizeptor hat über Wochen Neuronensignale in verschiedene Areale meines Gehirns senden lassen, die absolut unerträglich waren. Ich habe alles versucht, das einzudämmen: Zuerst Ibuprofen – als Saft, Zäpfchen und Tablette. Hat nicht geholfen. Diclofenac und Paracetamol. Auch nicht. Dann alles zusammen. Schließlich Morphin. Ich war kurz davor, Fentanyl zu probieren. Unglaublich; wie viele Ebenen Schmerzen haben können. Was geholfen hat? Das Schmerzgedächtnis zu manipulieren. Durch Sport.

2. Song

Cristobal Tapia de Veer „Enlightenment” (Titelsong der 3. Staffel von White Lotus. Mein neuer Opener im DJ-Set.)

Bar Italia „Worlds Greatest Emoter“ (Die kommen noch mal ganz groß raus.)

Irvine Welsh & The Sci-Fi Soul Orchestra „A Man In Love With Love” (Aus dem Romangeleitalbum, das besser ist als der Roman. Feinster Southern-Soul, geschmachtet und am großen Gefühl Liebe gelitten – ironisch, versteht sich.)

3. Peinlichstes Lieblingslied

Ikkimel „Unisexklo“ (Gut, dass ich keine fünfzehn mehr bin.)

4. Album

Nala Sinephro „Endlessness“ und „Space 1.8“ (Warp)

Wäre schön, wenn man sich für diese Musik die Worte sparen könnte, um stattdessen einfach zu sagen: sensationell. Hört Euch das an. Die Titel heißen „Continuum“, nummeriert von 1 bis 10. Mal übernimmt ein Synthesizer die gebrochenen Akkorde, mal ist es Sinephros Harfe. Heraus kommt eine Mischung aus Ambient, Jazz und Elektronik.

Adrian Crowley „Measure Of Joy” (Valley Of Eyes)

Gäbe es die Rubrik „Beste Songwriter, von dem noch niemand etwas gehört hat“, wäre Adrian Crowley ganz vorn mit dabei. „Measure Of Joy” ist seine 10. Langspielplatte seit dem Debut 1999 „A Strange Kind“. Wenn Nick Drake noch leben würde, er hätte das nicht besser hingekriegt.

Pelican „Flickering Resonance” (Run For Cover Records)

Obwohl ich bei KrautNick nicht für Doom-Metal zuständig bin, finde ich das sechste Studioalbum der auf lange bis sehr lange Songs spezialisierten Chicagoer Band Pelican richtig dufte. Verspielter Instrumental-Post-Metal, die an die besten Momente von Queens Of The Stone Age, Kyuss oder Fu Manchu erinnern. Gehört in jede Schultüte.

5. Konzert

Echo Collective im Silent-Green-Kulturquartier in Berlin war mein Highlight. Ich berichtete bereits ausführlich auf KrautNick. Aus Gründen, auf die ich nicht weiter eingehen möchte, saß ich unerwartet im Oktober im Kaiserbad zu Františkovy Lázně und wurde Zeuge einer Darbietung von Margit Koláčková am Violoncello und Jana Procházková an diversen Schlagwerken, die mährische, böhmische und slowakische Volkspoesie interpretierten. Wie bei einem guten Punkkonzert war kein Song länger als 90 Sekunden. Die Menge, vorwiegend 80 Jahre alte Kurgäste, hat getobt. Und ich mit.

6. Kinofilm

„Bugonia“ (Giorgos Lanthimos), Remake der schlechten, südkoreanischen Sci-Fi-Komödie „Save The Green Planet“, ist eine Verschwörungs-Satire mit einem fantatstischen Jesse Plemons und Emma „geht immer“ Stone, die wie ein sehr langer Post-Punk-Song daherkommt. Nach einem mehrminütigem, getragenen Intro gniedelt die Gitarre und man denkt sich, gleich kommts, die Feedback-Orgie. In 99% der Fälle wird man enttäuscht, weil es nicht kommt. Aber in „Bugonia“ kommts. Und zwar ganz dicke.

„Train Dreams“ (Clint Bentley), gleichnamige Buchverfilmung über das Leben eines Holzfällers und Tagelöhners in Idaho zwischen 1917 und 1968. Atemberaubend kinematographisch, zutiefst poetisch und mit traumartigen Flow.

„Downton Abbey: Das große Finale“ Und bevor jemand fragt, ja, ich habe geweint. Das war purer Fanservice. Downton habe ich ja schon bei 20 Jahre KrautNick auf der Liste gehabt. Ich liebe Britishness. Rule, Britannia! Es spricht wirklich gar nichts gegen ein prächtiges „Christmas Special“ in fünf oder sechs Jahren.

7. Serie

„Black Mirror“, Staffel 7, Folge 1, „Gewöhnliche Menschen“. Die hat mir das Herz gebrochen. Der Parallelismus zwischen dem, was in der Folge passiert, und der Gesellschaft ist einfach krass. Mittels eines neuronalen Start-ups wird die ins Koma gefallene Amanda zurück ins Leben geholt. Das Wundersystem funktioniert wie Netflix – per Abo, also leistbar. Amandas Ehemann Mike muss zwar Überstunden schieben, um das zu bezahlen, aber das wird schon. Irgendwie. Blöd halt, dass nach einer gewissen Zeit der neuronale Aboanbieter die Preise anhebt und Werbung über Amanda schaltet, natürlich auf das Werbeumfeld angepasst, was zur Folge hat, dass die Lehrerin Amanda zwischen dem Unterricht plötzlich pädagogische Werbespots aufsagt, die nicht von allen als passend angesehen werden. Für Werbefreiheit im Gehirn Amandas braucht es – logisch – Premiumangebote.

Diese beißende Satire auf die Abonnement-Ökonomie verursacht das, was diese Serie beherrscht, wie kaum eine andere: Vergnügen und Unbehagen.

8. Buch

Juli Zeh „Über Menschen“ (Luchterhand). Dass ich mal mit einem Nazi mitfühle, das schafft nur Frau Zeh, die Granate unter den zeitgenössischen deutschen Schriftsteller*innen. Darüber mehr in einer der nächsten Kolumnen.

9. Podcast

„Radieschen von unten“ (MDR, 2022-2024)

Sissy Metzschke und Bestatter Jan Edler wollen damit den Tod in die Mitte der Gesellschaft rücken. Sie reden bisher drei Staffeln lang über Wachsleichen und Bestattungsrituale, Songs, die man auf Beerdigungen besser niemals oder unbedingt spielen sollte, Nachlässe aller Art, Bestattungsrituale, Schmerz, Wut, Schuld, Erleichterung…

Sehr berührend und unterhaltsam zugleich. Bei der Gelegenheit, hier meine Funeral-Play-List, Stand heute:

Pet Shop Boys „Paninaro“ (die Version vom Album „Disco“)

Bill Callahan „Drover“

Nick Cave & The Bad Seeds „Weeping Song“

10. Gestorben und betrauert (Auszug)

30. Januar, Marianne Faithfull, „A working class hero is something to be”

24. Februar, Roberta Flack, „Killing Me Softly With His Song“ ist sooo schön

1. April, Val Kilmer, unvergessen als Jim Morrisson in Oliver Stones „The Doors“

11. Juni, Brian Wilson, „Everybody’s gone surfin′, Surfin′ U.S.A.”

18. August, Alfred Hilsberg, What’s So Funny About Zickzack zapzerack

16. Oktober, Klaus Doldinger, Jazzer und Filmkomponist, unsterblich für „Das Boot“ und, na klar, Tatort.

22. Oktober, David Ball, der andere von Soft Cell

24. November, Jimmy Cliff, Reggae‑Pionier

24. Dezember, Wladimir Wladimirowitsch Putin, Fenstersturz. Weihnachtsgeschenk von Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj

25. Dezember, Donald Trump, Ursache Imbezilität. Hat das frohe Fest abgerundet.

Dipl.-Geriator

Onkel Rosebud

P.S.: Ich möchte, dass KI meine Wäsche und meinen Abwasch erledigt, damit ich Kunst machen und schreiben kann, und nicht, dass KI Kunst macht und schreibt, damit ich meine Wäsche und meinen Abwasch erledigen kann.


Matthias Bosenick

1. Persönliches Event

Wir sind jetzt zu viert! Die Runde der festen KrautNick-Bestückenden wuchs um eins: Nachdem Onkel Rosebud und Guido Dörheide den Blog vor zwei Jahren mit ihren regelmäßigen Beiträgen zu einem Team machten, stieß Chrisz Meier vor einem Jahr hinzu. Ich bin glücklich.

Die III. WRG-Kulturtage begleiteten wir mit Rille Elf auf dem Vorplatz von Harrys Bierhaus mit dem „Ball Am Bierhaus“. Da waren wir nicht zum ersten Mal, aber dieses Mal machte es noch ein Jota mehr Spaß als die anderen Male. Party bis in die Nacht unter freiem Sommerhimmel, ausgelassenes Publikum, die Hälfte meiner Geschwister mit Familie dabei – die andere Hälfte begleitete eine Veranstaltung im Kufa-Haus, dieses Jahr meinte es familiär ausgezeichnet mit mir; zumal das Kufa-Haus für Rille Elf ein kaum weniger familiäres Zuhause geworden ist – und eine wilde, explosive Musikmischung.

An privaten Events punktete meine Reise nach Kopenhagen im September – mit Kontakt zur venezianischen Death-Metal-Band Miscreance auf der Fähre, dem zufällig erlebten Auftritt von Dancehall-Sänger Kaka in Nørrebro, der Open Stage in der Jazzkneipe Blågårds Apotek, der privaten Führung im Vinylpresswerk von Nordsø Records sowie diversen zufälligen Begegnungen mit kontaktfreudigen Menschen. So geht Urlaub.

2. Song

Mauvais Sang – Modèle

Bereits auf der „La Flore EP“ knallte mir dieses Stück ins Gesicht, auf dem nachgereichten Album „La Faune“ ist es ebenfalls enthalten. Zu einem schier stumpfen Beat mit groovendem Bass dialogisieren sich junge Leute jeden Geschlechts auf Französisch, bis der – nun – Refrain nach einem Break detoniert. Plus Harfen-Intermezzo. Funktioniert auch beim Auflegen bei einzelnen Gästen ganz gut.

Rille Elf – Die Phalanx der alten Männer

Es war ein Scherz, ein Test mit KI. Gelegentlich streuen wir den Song bei Rille-Elf-Veranstaltungen ein und stellen erschüttert und erheitert fest, dass er dann angenehm auffällt.

3. Peinlichstes Lieblingslied

Rick Astley – Never Gonna Give You Up

Eigentlich ist mir mein Geschmack nicht peinlich, aber es gibt aktuell tatsächlich so etwas wie eine Wahl in dieser Kategorie. Selbst in den Achtzigern, als Synthiepop-Hörer und sogar Goutierer von Stock Aitken Waterman, fand ich einige Acts aus deren Hit-Schmiede unerträglich. Big Fun etwa, Sinitta, Jason Donovan – und eben Rick Astley. Ich feixte mit DJGA alias Gerd Alzen, Moderator meiner Lieblingssendung „Maxis Maximal“, als er damals eine 12“ von Rick Astley auf 45 abspielte, um dem Gerücht nachzugehen, man bekäme dann Kylie Minogue zu hören. „Never Gonna Give You Up“ erwuchs nun in den zurückliegenden Jahren zu einem Internet-Meme, „yes, you’ve been rickrolled“, was ich bemerkenswert fand: ausgerechnet! Als Rick Astley dann 2023 in Glastonbury auftrat und mit Nonchalance und Sympathie sowie guter Musik jeden Zweifel hinweghob, verlieh er dem genannten Hit neue Würden. In diesem Sommer nun erstand ich die 12“ auf einer Plattenbörse im Kufa-Haus und streute den Song anschließend auch mal in DJ-Sets ein. Funktionierte unter anderem beim erwähnten „Ball am Bierhaus“.

4. Album

Sunken – Lykke

Seit einigen Jahren schon sind es der Black Metal sowie artverwandte unbequeme Genres und Genreverknüpfungen, die mir die größte Anerkennung abringen. Das Kombinieren von bisher Unkombiniertem, das Verändern von Festgelegtem macht mir Freude. „Lykke“ von Sunken aus Dänemark verbindet Dissonanz und Wohlklang und macht glücklich. Auf den Plätzen folgen chronologisch rückwärts: Afsky – Fællesskab, Der Weg einer Freiheit – Innern, Fly Cat Fly – Sketches From The Past sowie unzählige Musik vom addicted Label aus Moskau und solche mit Beteiligung von Zauberschlagzeuger Jörg A. Schneider.

5. Konzert

Faun Fables und Sleepytime Gorilla Museum mit Hydrahelia – ein Kollaborateur vom genannten Jörg A. Schneider – in Hamburg, 7. August, Hafenklang. Für unter 15 Euro, dies sei einleitend am Rande bemerkt, denn das Besondere lag nicht im Preis. Die verrückteste, brutalste, freakigste Musik von ebenso aussehenden Menschen, die sich als herzenswarm und kuschelig herausstellten. Ein Fest fürs Herz.

Auf Rang zwei: Clockwork Orange am 5. Juli in der Kuba-Halle zu Wolfenbüttel. Nach 38 Jahren Pause (und einem Interview, das ich drei Jahre zuvor für das Kurt-Magazin geführt hatte) fand diese New-Wave-Band wieder auf der Bühne zusammen – und verlor nur kurz nach diesem wunderbaren Auftritt ihren Bassisten, nämlich Hardy Crueger.

Rang drei gilt Der Weg einer Freiheit, die am 26. April im Jugendhaus Ost zu Wolfsburg dem Black Metal eine wärmende Nähe verliehen. Platz vier bekommt Tom Jones für seinen eindrucksvollen Auftritt am 15. Juli in der Austostadt in Wolfsburg.

6. Kinofilm

So selten wie in diesem Jahr war ich in den zurückliegenden 35 Jahren noch nie im Kino. Dem Braunschweiger Filmfest sei Dank, dass ich „Therapie für Wikinger“ bereits vor Drucklegung dieser Liste zu sehen bekam: Dieser schwarzhumorige Drama-Thriller von Anders Thomas Jensen bleibt mit seinen Gags und seinem verwinkelten Drehbuch lang im Herzen. Platz zwei hat „Flow“ inne, Gints Zilbalodis’ unkonventioneller Animationsfilm mit einer Katze als Hauptfigur.

7. Serie

Da ich in diesem Jahr immerhin eine Serie guckte und die mir auch gefiel, sei sie hier genannt: „Stranger Things 5“, erste Hälfte. Setzt unmittelbar an der bombastisch grandiosen vierten Staffel an, nimmt jedoch das, was so bombastisch grandios an ihr war, nur anteilig auf. Die Ästhetik und die verschlungene, spiegelreiche Erzählstruktur weicht einer eher linearen, aber einen unsagbaren Sog entwickelnden Handlung. Sofern der Rest nicht so abkackt wie das letzte Drittel von Staffel 2 oder die gesamte Staffel 3, bleibt diese Auswahl bis zum Jahresende bestehen.

8. Buch

Hardy Crueger – Der Bootsmann

Der Autor erlebte die Veröffentlichung dieses Thrillers gerade noch so einen Monat vor seinem Tod. Da geht der Welt nicht nur ein begnadeter Wortbastler verloren, sondern mir auch ein Freund. Als das Buch zwei Tage alt war, versah er ein Exemplar mit einer Widmung für mich. Danke, mein Freund.

9. Podcast/Hörspiel

Es wird langweilig, oder? Podcasts höre ich nicht, Die Drei ??? überzeugen hauptsächlich in der Darreichung durch Das Vollplaybacktheater, Volker Sassenberg hat sich immer noch nicht wieder eingekriegt und Contendo Media stehen seit Jahren für mich relativ konkurrenzlos da, mit all ihren Serien. Von denen der Humor von „Die 3 Senioren“ andere Contendo-Serien sticht.

10. Gestorben und betrauert

In diesem Jahr viel zu viele: Hardy Crueger, Harald Stangor (eigentlich Quiz-Mitteilnehmer aus dem Riptide, aber auch Musiker und Lyriker), Claudio Colaianni (Anuseye, That’s All Folks!; ein persönliches Kennenlernen scheiterte vor fünf Jahren an Corona), Helmut Pichler (fast 50 Jahre lang Wirt der Strohpinte) sowie Elli und Helena.