Von Matthias Bosenick (01.05.2013)
Alles ist neuerdings besser bei Oswald Henke, das muss man einfach mal feststellen. Selbstverständlich gebührt seiner Ur-Band Goethes Erben großes Verdienst in Sachen Eigenständigkeit, Stichwort „Neue Deutsche Todeskunst“, aber musikalisch ist sein aktuelles Bandprojekt, das er unter seinem Nachnamen führt, deutlich versierter, voller, rockiger. Geblieben ist Henkes akzentuierte Sprachweise, mit der er seine gesellschaftskritischen und Ansichten und emotionalen Betrachtungen postuliert. Henke schielt nicht nach Applaus aus der Grufti-Ecke, der die Erben einst angehörten, sondern lässt seine jungen Musiker Alternative-Rock spielen, flüssiger, als er sich auf dem letzten Erben-Album schon andeutete, und doch, auch aus der Indie-Ecke wird er wegen seiner Stimme keinen Applaus bekommen. Das ist mal eigenständig. Okay, musikalisch fügt die Band der Welt nichts Umwälzendes hinzu, aber es macht Spaß, sich die neuen Alben und EPs anzuhören.
Gottlob verabschiedete sich Henke nach dem Aus der Erben und den anderen Bands Artwork und Erblast von seiner Haltung, wegen der illegalen Raubkopien, die ihm vermeintlich die Existenz gefährdet hatten, nie wieder physische Tonträger zu veröffentlichen. So gab es das bislang einzige Album des Live-Projektes fetisch:Mensch vor einiger Zeit lediglich als Download, mit Henke kehrt Henke erfreulicherweise wieder zurück zur CD. Und zwar mit dem zweiten Album und der dritten EP.
„Maskenball der Nackten“ hält weniger Crossover bereit, als er noch auf dem Debüt „Seelenfütterung“ der Fall war. Damit ist der Maskenball zwar weniger ruppig, aber nicht minder intensiv, hymnisch, postrockig. Sicher, die Songs sind jetzt nicht gerade progressiv geraten, aber versiert instrumentiert und komponiert und damit mitreißend genug, um zu gefallen. Den Unterschied zu anderen macht ohnehin die Stimme. Drängend, nachdrücklich, flehend, verletzt, fordernd – Henke ist ein Theaterschauspieler, das kann er nicht verbergen. Auf dem Rauswerfer „Medea“ versucht sich Henke am Singen, und selbst das klingt nicht wie Gesang, sondern wie sein üblicher Vortrag, währenddessen er lediglich ab und zu die Tonhöhe verändert. Ehrlich: Das steht ihm nicht, wenngleich es im Refrain von „Weckt mich“ auf der nur online und auf Tour erhältlichen EP „Zeitmemory“ sehr wohl gelingt. Vielleicht liegt’s an der Melodie und am die Stimme umgebenden Sound, der ist bei „Weckt mich“ inhaltsbedingt voluminöser.
In Summe ergibt alles eine Intensität, der man sich, so man Henkes Ausdrucksart mag, nicht entziehen kann. Ja, erstaunlich, aber: Henkes Musik macht Spaß und hat eine weit größere Qualität angenommen, als sie sie zu Erfolgszeiten der Erben hatte.