Von Guido Dörheide (28.02.2023)
Wer bei Ein-Mann-Kapellen noch an den Hund aus der C&A-Werbung denkt, der immer abwechselnd auf die Bassdrum haut und in die Tröte pustet – es geht auch anders. Hellripper aus Aberdeen, Schottland, zeigen das sehr eindrucksvoll. Hellripper bestehen aus James McBain, und das schon seit knapp zehn Jahren. McBain singt sehr schön und spielt alle Instrumente selber. Fast. Doch dazu später mehr. Gesangstechnisch ist Hellripper mehr sowas wie Dunkelripper – James McBain keift, als gelte es, ein Black-Metal-Album der zweiten Welle aufzunehmen, aber das ist meines Erachtens auch schon der einzige Bezug zum Black Metal. Der Rest ist Speed/Thrash und ganz viel Old School NWoBHM.
Mein Kollege Carsten und ich lassen uns gelegentlich gegenseitig Musik anhören, die wir gerade gut finden, ich habe dadurch das Spektrum, das ich akustisch ertragen kann, in Richtung Dark Wave/Dark Rock/M‘era-Luna-Musik erweitert und er seins in Richtung Metal. Während mein Chef vor Warlocks Grim & Withered Hags die Flucht ergriff, unsere heutige kleine dienstliche Spontanbesprechung aufs Notwendigste verkürzte und dabei meine Bürotür hinter sich schloss, äußerte Carsten spontan, dass er sich Hellripper auch als Nicht-Metal-Fan gut anhören könne. Und das ist meines Erachtens das Ding bei Hellripper: Ich würde die Band ganz grob irgendwo knapp im Extreme Metal einordnen, was aber tatsächlich zu einem guten Teil am Black-Metal-Gesang liegt und zum restlichen Teil an dem teils herrlichen Speed-/Thrash-Geknüppel. Was nicht weh an den Ohren tut, sondern sehr glücklich und innerlich ausgeglichen macht. Auf Songs wie „Goat Vomit Nightmare“ (was für 1 herrlicher Titel!) klingt McBain dann bis auf den – auch hier keifenden – Gesang wie Motörhead und „Poison Womb (The Curse Of The Witch)“ (Jahaa! McBain ist nicht nur ein guter Songwriter, Vokalist und begnadeter Multiinstrumentalist in Personalunion, sondern auch ein Titan der sich ins Hirn brennenden Songtitel!) hört sich an, als wäre hier die schaurig böhööse Verwandtschaft von Iron Maiden am Werk. Überhaupt: Was McBain da auf der Gitarre veranstaltet, ist technisch toll und macht Laune wie die sprichwörtliche Sau. Es ballert, schrammelt („The Cursed Carrion Crown“ sei hier als Anspieltipp aufs Wärmste anempfohlen) zum Einen und rattert zum Anderen (ebenfalls auf dem vorgenannten Stück), und dann gibt es supermelodische und dabei doch schnelle und harte Riffs, die in tolle Soli übergehen – es gibt immer mehr als einen Grund, bei Hellripper mal genau hinzuhören.
Das Tempo ist vorwiegend schnell, ich empfehle Hellripper daher nicht als Soundtrack zum Kochen in der eigenen Küche, weil man vor lauter Headbangen das Kochgeschirr nicht scharf sieht und die ohne Unterlass zappelnden Gliedmaßen ständig die Gewürze an den Behältnissen vorbeischütten. Ach ja, und „ The Cursed Carrion Crown“ endet mit einem wunderschön geshouteten Harmoniegesang von McBain mit sich selbst. Hernach entzückt „The Hissing Marches“ mit einem Bassriff als Intro, das Mr. Kilmister lieben würde, und auch die danach einsetzende und dann wieder vom Bass abgelöste Gitarre sind die logische Fortsetzung von Motörhead in den 2020er Jahren. Dazu passt auch der Gesang, hier weniger keifend. Das ist Rock‘n‘Roll! Überhaupt keift McBain nicht nur: Beispielsweise beim letzten Song – „Mester Stoor Worm“ – wechselt er beeindruckend zwischen Gekeife und Gegrowle. Klargesang wird auf diesem Album weder benötigt noch vermisst.
Dass McBain aber auch anders kann als alles, was ich zuvor beschrieb, zeigt er beim zweiten und dritten Stück des Albums: „I, The Deceiver“ beginnt mit einer Aufeinandertürmung von tollen Riffs, zunächst im Midtempo, dann schön thrashig, und gesangsmäßig brüllt er dann alles in Grund und Boden, immer wieder von diesen wunderbaren, melodischen Riffs unterbrochen. Und dabei haut er auf das Schlagzeug ein, als hätte es ihm was getan. Groß. Und dann das Titelstück – es beginnt mit verzerrten und verhallten Gitarrenakkorden, abgelöst von solide bretternder Rhythmusgitarre, und verharrt dabei im Midtempo. Eine schöne Melodie treibt die nächste vor sich her, dann beginnt McBain hymnisch zu – ja wieder einmal mehr – zu keifen und so setzt sich das Stück fort und fort. Hinzu kommen Soli, wunderschön sind die, und dann, ab Minute 4:23 zeigt McBain, dass er Schotte ist, und fährt einen Dudelsack auf (gespielt von Antonio Rodríguez – danke metalinjection.net für diese Information). Bei knapp über 5 Minuten legt dieser dann richtig los, zwischendurch schreit McBain immer wieder sehr episch, aber das letzte Drittel des über 7 Minuten lang seienden Titelsongs gehört den Highland Bagpipes, und das vollkommen zu Recht. Und das für den Extreme Metal sagen wir mal eher ungewöhnliche Instrument dient hier nicht als folkloristische Verzierung, sondern wurde in extremer Weise großartig in den Metal hineingearbeitet. Hammer!
Ich habe hier jetzt nicht alle Songs explizit abgehandelt, aber lassen Sie sich versichert sein, liebe Krautnick-Lesenden, dass es auf diesem – immerhin über 40 Minuten dauernden – Monument der gehobenen Metallunterhaltung nicht einmal ein winziges Pfefferminzplätzchen an Füllmaterial gibt – alles hat seine Existenzberechtigung und sitzt haargenau am richtigen Platz. Ich für meinen Teil höre dieses Album seit dem Tag seines Erscheinens zwei- bis dreimal pro Tag, empfinde dadurch ein höheres Ausmaß an Ungestörtheit im Büro und ein gestiegenes psychosomatisches Wohlbefinden – daher anempfehle ich dieses Maß der Medikation auch jeder/jedem Krautnick-Lesenden, der Black Metal, NWoBHM, Motörhead und Speed Metal zu schätzen weiß und bereit ist, sich an der hier vorliegenden, ganz hervorragenden und über jeden Zweifel erhabenen, satten Produktion, die zum Glück GARNIX mit Black Metal zu tun hat, zu erfreuen bereit ist.