Von Matthias Bosenick (02.03.2019)
Eine Ansammlung von Klischees aus Komödie und Heavy Metal, die beiden Seiten nicht gerecht wird und bei der es dann umso mehr verwundert, dass dabei trotzdem gelegentlich übermäßig gute Gags herauskommen: Das ist „Heavy Trip“. Um die guten Gags herum hätte man sich einen so guten Film einfallen lassen können, aber nein, viel lieber greifen die Finnen auf das zurück, was jeder Zuschauer schon hinreichend kennt. Das allein macht aus „Heavy Trip“ leider keinen guten Film. Immerhin, der Song der Band, um die es geht, hat Qualität.
Die Grundkonstellation ist einfach: Vier junge langhaarige Männer aus einer finnischen Kleinstadt spielen zusammen als Band, werden aber vom Rest des Ortes belächelt bis verspottet. Als sich die Aussicht darauf ergibt, bei einem angesagten Metal-Festival im Nachbarland Norwegen zu spielen, bekommt die Band einige Popularität im Ort, die sich indes zerschlägt, als sich dieses Gerücht als unwahr herausstellt. Die Band ist trotzig und nimmt den „Heavy Trip“ nach Norwegen trotzdem auf sich.
Klingt erstmal ganz interessant, die Geschichte vom Underdog, der gegen alle Widerstände sein Ding durchzieht und damit auch noch in Erfolge feiert. Das funktionierte schon bei „Rocky“ gut. Und bei Abermillionen weiterer Underdogfilme. Sei’s drum, das kann ja funktionieren, wenn das Drumherum sich unterscheidet. Da tut es aber nicht. Die Langhaarigen begegnen den üblichen Klischees vom als Homo angesehenen Außenseiter, von der für andere unhörbaren Musik, vom depressiven Erscheinungsbild der Metalheads. Dann wenigstens die anderen im Dorf. Auch nicht, da gibt es den Entertainer, der so populär ist, dass er die Dorfschönheit für sich klarmacht. Deren Vater, der etwas gegen die Hippies hat. Die Prolls, die chartshörend am Auto schrauben. Die Eltern, die trotzdem wenigstens das Essen zubereiten und den Keller zur Verfügung stellen. Puh.
Dann sollen wenigstens die komödiantischen Anteile herausragen. Aber auch das erfüllt der Film nicht, jedenfalls nicht durchgehend auf gutem Niveau. RomCom-mäßig interessiert sich die Dorfschöne sehr wohl für den merkwürdigen schwarzgekleideten Außenseiter. In der Irrenanstalt gibt’s einen Lappen, der dunkle, also unfinnische, Hautfarbe hat. Auf dem Weg nach Norwegen bricht beinahe ein Krieg wegen vermeintlicher Islamisten aus, Feuerwaffen gehen unkontrolliert los. Rentiere laufen herum und verursachen Unfälle. Oder Hits. Man schämt sich im Kinosessel darüber, wie zäh die Handlung sich entwickelt und welche müden Gags sie begleiten. Handlung, ja. Was wollte nochmal der norwegische Festivalchef in Finnland, zufällig Rentierblut kaufen? Warum? Und Witze über Kotze, ernsthaft? Man kann sich nur freuen, dass die Band nie in Alkoholexzesse verfällt, ein Klischee, das im Film tatsächlich fehlt.
Vielleicht ist der Film ja wenigstens irgendwie finnisch. Also wie etwas von Aki Kaurismäki, der mit „Leningrad Cowboys“ auch schon Bands auf die Straße schickte. Nichts davon: Keine langen Kameraeinstellungen, keine schweigsamen Charaktere, die Geschichte lässt sich keine Zeit (und langweilt trotzdem). „Heavy Trip“ könnte aus jedem anderen Land der Welt sein, das irgendwie westlich orientierte Filme produziert. Alle gleich.
Und dann gibt es immer wieder Lichtblicke, bei denen man sich fragt, ob sie Zufall sind oder ob die Filmemacher nicht doch einen Einblick in gewisse Szenen haben. Manche Oneliner treffen akkurat ins Ziel, am besten die Reaktion der Hauptfigur auf die Homo-Vorwürfe: Er drückt dem Proll einen Kuss auf den Mund und sagt, „auch Homos sind Männer, soll ich es dir mal beweisen?“. Der Schriftzug der Band, die sich nach zwölf Jahren endlich einen Namen gibt, der da „Impaled Rectum“ lautet und den ein Mitglied als „Iskender Kebap“ fehlentziffert. Grandios ist das Bandfoto, in Herleitung und Ausführung. Und so manche Kleinigkeit mehr. Die Landschaftsbilder sind eindrucksvoll, auch manche wieder aufgenommene Idee überrascht, etwa die Reenactment-Wikinger, die mit ihren Schilden die anrückenden Polizisten abwehren.
Das Schlimmste ist eigentlich, dass die Dorfbewohner die Jungs erst akzeptieren, als sie vermeintlich etwas geleistet haben, aber nicht um ihrer selbst willen. In Summe bedient der Film Sichtweisen, wie Menschen sie international überall vertreten, und das nicht allein auf den Heavy Metal bewogen. Die Witze und Vorurteile sind ungefähr auf dem Flachwitzniveau von „Willkommen bei den Sch’tis“, und offenbar gibt es genug Publikum dafür, das genau solche Witze braucht. Und das auch in Metal-Kreisen. Der Schwarze, der in der Irrenanstalt sitzt und für den verstorbenen Schlagzeuger einspringt, mit dem T-Shirt „I put the Black in Black Metal“. Erschreckend.
Der Film lief in Braunschweig im Rahmen der Musikfilmreihe „Sound On Screen“ im Universum-Kino mit einem Vorprogramm, das ausnahmsweise nicht im Café Riptide stattfand: Herausgeber Frank Schäfer stellte sein Buch „Hear ‘em All“ vor, in dem zahllose Autoren ihre liebsten Heavy-Metal-Platten vorstellen. Natürlich Schäfer selbst, und zu seiner Präsentation lud er Weggefährten und Coautoren ein, mit denen er auch Lesebühnen teilt: Gerald Fricke aus „Lemmy & die Schmöker“-Zeiten sowie Till Burgwächter und Axel Klingenberg, mit denen er das Metallesetrio „Read ‘em All“ bildet. Eine schöne Idee, solch eine Lesung im Kino zu veranstalten, und weil die Jungs einen guten Musikgeschmack haben, luden sie Schepper dazu ein, mit seinem Solobass und seiner psychedelischen Musik den Abend zu bereichern. Ein schönes Vorprogramm für den „Heavy Trip“, der qualitativ deutlich dagegen abfiel.