Von Matthias Bosenick (12.07.2018)
Zum 60. Geburtstag des 1957 von André Franquin ersonnenen Büroboten Gaston Lagaffe erschien im vergangenen Jahr ein Best-Of, dem nun eine Hommage folgt. Nicht die erste. 60 Zeichner, hauptsächlich Frankobelgier, arbeiten sich an dieser wichtigen Figur des frankobelgischen Funny-Comics ab; die eingereichten Würdigungen sind von entsprechend unterschiedlicher Ausrichtung und Qualität. Einige Zeichner und Autoren versuchen, der längst abgeschlossenen Reihe eine Episode im Sinne der Sache hinzuzufügen, manche verdrehen Inhalte, andere transferieren Gaston in andere, zumeist eigene Universen, und die sind – auch bei geringerer Qualität – am interessantesten. Franquin kopieren kann nämlich niemand.
40 Jahre lang berichtete Franquin aus dem Alltag des Gaston Lagaffe, dann kam ihm sein Tod dazwischen. Testamentarisch war verfügt, dass die Serie offiziell nicht weitergeführt wird, aber die Rechte liegen jetzt wieder beim Verlag Dupuis, der auch das gleichfalls betroffene Marsupilami in das Spirou-Universum zurückholen ließ. Für Gaston bedeutete dies bislang nur eine neue Serie namens Gastoon, die von Gastons Neffen handelt und von Simon Léturgie gezeichnet sowie von Yann und Jean Léturgie getextet wird. Jetzt liegt erstmals eine Hommage unter dem nämlichen Markennamen vor.
Die Mischung trifft den Sound des originalen Gaston ziemlich gut. Denn – bei Lichte betrachtet – schon der war nicht immer so grandios, wie man ihn ehrenhalber in Erinnerung haben möchte. Liest man sich die in der jüngsten Wiederveröffentlichung 19 Bände oder fünf Bücher am gut dosierten Stück durch, befällt einem so manches Mal einige Langeweile oder Ermüdung. Bei manchen Gags oder wiederkehrenden Figuren befällt einem der Eindruck von erzwungener Idee. Selten immerhin sind die Gags so beliebig, dass sie auch ohne Gaston funktionieren würden; darauf achtete Franquin einigermaßen, dass er die Kapriolen seiner Figur im eigens kreierten Universum stattfinden lässt.
Und das ist weitreichend, wenngleich es erstaunt, wie spät manche als Standards aufgefassten Elemente erst in die Serie einflossen. Seinen ersten Auftritt hatte Gaston 1957 als Gast in einer Ausgabe des Spirou-Magazins, seinen ersten eigenen Gag in Spirou-Ausgabe 1000 desselben Jahres. Seitdem war Spirous Sidekick Fantasio Gastons Chef, bis der den Job 1964 an Demel weitergab (wie Franquin die Serie Spirou an Fournier). Bruchmüller, der cholerische Geschäftsmann mit den geplatzten Verträgen, trat erst 1960 durch die Verlagstüren, Fräulein Trudel begann erst 1962, als einziger Mensch der Erde Gaston zu verehren.
„Was denn?“, das ist der Ausruf, den die Beschädigten zumeist von Gaston zu hören bekommen, wenn dessen Experimente einmal mehr schiefgehen oder er beim Büroschlaf gestört wird. An dieses Grundgerüst halten sich nun die meisten der vertretenen Zeichner in ihrer Hommage. Das gelingt zumeist recht gut, greift aber lediglich bestehende Fäden auf. Wer diesem Pfad nicht folgen mag, verdreht die Running Gags; naheliegend ist, dass Gaston Bruchmüller dazu bringt, Verträge zu unterschreiben, anstatt wie üblich versehentlich deren Abschluss zu torpedieren. Ganz pfiffige Autoren transferieren Gaston indes in Stil und Story in ihr eigenes Universum (mit eigenen Figuren). Und da wird es in alle Richtungen aufschlussreich: Ein Lewis Trondheim verbiegt seinen minimalistischen Strich nicht zugunsten der gelungensten Kopie, sondern bleibt im Sinne des Charakters Gastons eigensinnig, und ein José Munuera, der mit Morvan die besten Spirou-Bücher der Hauptreihe nach der Pause ablieferte, steuert schockierenderweise einen der schlechtesten Beiträge zu dieser Hommage bei. Mancher Strip erscheint hier im pseudorealistischen DC- oder Marvel-Style, andere im naiven Kindchengekritzel oder beinahe künstlerisch. Sogar das eigene Wahrnehmen Gastons von Seiten der Autoren erfährt hier Reflexionen.
Streckenweise bewegte sich das als Parodie ausgelegte „Baston“ von 1983 (im französischen Original mit der Folgennummer 5 ausgestattet, die es in der ursprünglichen Gaston-Zählung der Alben für viele Jahre nicht gab) zeichnerisch auf einem ähnlichen Niveau wie der vorliegende Band, inhaltlich aber weitaus mutiger und räudiger. Aber „Die Galerie der Katastrophen“ ist ja explizit auf Applaus ausgelegt, und den verdient der Sechzigjährige in der Tat.