Von Matthias Bosenick (06.04.2017)
Seit neun Jahren kein Album mehr, aber plötzlich die zweite 12“ in zwei Jahren. Der französische Techno-DJ Terence Fixmer und der englische EBM-Shouter (so muss man ihn bezeichnen) Douglas McCarthy von Nitzer Ebb ballern ihren trotzdem verbliebenen Folgenden dieses Mal Drogentanzmusik um die Ohren. Als neuem Output auf nur einen Track konzentriert, ist eher das Bedienen die Aufgabe als das Erweitern; „Chemicals“ ist ein im Sinne des Duos klassischer antiseptisch lärmender Neo-EBM-Track mitten in die Fresse. Auf der so genannten Albumlänge sind sie zwar experimenteller, aber man ist ja schon zufrieden, dass sie überhaupt wieder gemeinsam aktiv sind.
Fixmer schmeißt die Sequenzermaschine an und lässt sie repetetiv zum Midtempobeat pluckern. Darüber gießt er ein paar metallische Geräusche. Das erinnert in seinen Grundzügen zwangsweise und gottlob an die alten Nitzer Ebb, nur im Sound von heute. So will man es, so bekommt man es. McCarthy bölkt sich dazu einen ab, wie man es von dem Mann seit 35 Jahren kennt. Für die B-Seite „Wrong Planet“ wagen die beiden als Grundthema einen wiederholten nervigen Lärm, der das Genervtsein darüber, sich auf dem falschen Planeten zu befinden, nachfühlbar macht. Wäre die mutigere A-Seite gewesen. Auf der gibt es dafür „Chemicals“ noch als Instrumental, was etwas seltsam ist, da man die 12“ vermutlich gerade wegen der Stimme in Kombination mit der Musik erwirbt.
Geht also voll auf die Zwölf, das Ding, und auch, wenn es wegen der Substanzlosigkeit (nur zwei neue Tracks!) etwas unzufrieden macht, ist es ein gutes Stück. Die gegenwärtige EBM lebt vom Wiederkäuen Althergebrachter Hitstrukturen, die deren Erfinder längst hinter sich gelassen haben, oder davon, stumpfen Inhalten stumpfe Musik zu geben. So ein Mix aus Techno, EBM und Experiment tut der lieben Seele gut und gibt den vermengten Genres seinerseits Seele wieder.
Erst vor einem Jahr taten sich die beiden nach acht Jahren Funkstille wieder zusammen, für die Best-Of „Selected Works 2003 – 2016“, auf der sich lediglich der neue Song „So Many Lies“ befand, ansonsten Material der beiden hochgradig guten Alben „Between The Devil…“ und „Into The Night“ sowie diverser Remix-12“es. Das schleppende „So Many Lies“ gab es gleichzeitig ebenfalls als 12“, mit einem beschleunigten Remix als B-Seite. Und wer sich über schleppend als nicht brutal genug aufregen mag: Bands wie die Melvins zelebrieren die Langsamkeit als Werkzeug der Brutalität, da muss man sich keine Sorgen machen. Auch Fixmer und McCarthy verteilen schleppend Prügel. Jetzt aber bitte wieder ein Album mit einer so breiten Palette wie früher, denn dem Duo steht mehr als nur das Schlägertypenimage.