Von Matthias Bosenick (11.03.2017)
Wenn alles gesagt ist, mischt man das Gesagte neu: So funktioniert auch Exquirla, das gemeinsame Projekt der spanischen Postrockband Toundra und des Flamencosängers Niño De Elche. Das Ergebnis ist ein dunkler Fluss an progressiver Rockmusik zwischen heavy und mäandernd mit einer rauhen beschwörenden singsangenden Stimme drüber. Eine beeindruckende und großartige Kombination. Ebenbürtig mit etwa Jambinai aus Südkorea, die in ihren Metal traditionelle Instrumente einfließen lassen. Neu geht noch 2017!
Natürlich ist die Musik weitgehend genretypisch. Toundra haben ihren Stil über vier Alben etabliert, und der basiert auf klassischem Postrock, den sie gottlob verfeinern und anreichern. Sie heben sich von anderen Postrockern angenehm ab, und das zuerst schon mit ihrer spielerischen Qualität, dann auch mit mit dem, was sie in die bisweilen typisch postrockig dudelnden Arrangements einflechten. Da kommt es hier mal zu einem Ausbruch an Heavyness, dort zu ambientalem Drone, und dann zu fast opulentem Poprock, weiten Klangteppichen oder an Tool erinnernde Progressivität. Was sie auszeichnet, ist eine Stringenz und Authentizität in der Komposition; nichts wirkt erzwungen oder willkürlich. Üblicherweise sind Toundra-Stücke instrumental, da ist es konsequent, dass sie sich mit einem Sänger einen neuen Namen geben.
Niño De Elches Vokalbeitrag muss man abgegriffen als kongenial bezeichnen. Anders als bei Lou Reed und Metallica passen hier Musik und Stimme brillant zusammen, jeder gibt sich gegenseitig den nötigen Raum, und beide zusammen türmen einen monolithischen Sound in die Höhe. Seine Stimme ist zwar nicht tief, aber das Rauhe gibt ihr Dunkelheit, und er setzt sie oftmals beinahe wie bei einer Beschwörung ein. Dann schraubt er die Tonlage hoch und gipfelt über allem, während auch die Gitarren die höheren Töne angniedeln. Majestätisch, monumental, erhaben, wuchtig, sakral. Den Flamenco muss man sich indes denken; zwar entlehnt De Elche (alias Francisco Contreras Molina) seinen Gesangsstil bisweilen seinem Hauptgenre, doch ordnet sich die Musik dem nicht unter, sondern passt die Melodie erstaunlicherweise exorbitant gut zum Sound.
Ältester, kann man nur ununterbrochen brüllen, während man dieses Album hört. Was die hier auffahren, gehört in die Jahresbestenliste, wenn nicht sogar Jahrzehntbestenliste. Warm, ausgefeilt, akzentuiert; hier haben sich nicht einfach zwei Exoten zu einem Schnellschuss zusammengetan. Das ist eine Musik, in der Können, Kreativität und Erfahrung stecken. Und die ist, wie der Titel sagt, „Für diejenigen, die noch leben“. Ist das schön!
Das Album gibt’s als normale CD, als Special Edition und nur unwesentlich teurer als Doppel-LP mit beigelegter CD.