Von Matthias Bosenick (28.12.2014)
Ab und zu geschieht es dann doch noch, dass einem abseits des Mainstreams – und ja, den gibt es auch und ganz besonders in den vermeintlich alternativen Musikrichtungen – ein neuer Künstler seine Arbeiten in die Musikabspielgeräte spielt, die einer eigenen Linie folgen, frei von Anbiederung und Kommerz. Ein solcher Künstler ist der Kanadier Ethan Silk, der mit seinem dark-ambient-lastigen rein instrumentalen Electro-Debüt selbst die finstersten Nächte noch dunkler zu machen weiß.
Laut eigener Aussage ist Silk beeinflusst von anderen kanadischen Electro-Bands; dazu zählen nach allgemeiner Kenntnis solche wie Skinny Puppy und Front Line Assembly. Doch schafft es Silk, diese Einflüsse nicht auf seinem Album als eindeutige Referenz erklingen zu lassen; er bleibt eigenständig. Natürlich ist auch seine Musik im Jahre 2014 nicht frei von Analogien, so erklingt im Opener „Short Circuit Machine“ das Motortucker-Sample, das auch Depeche Mode schon in „Stripped“ verwendeten. Obgleich die Produktion absolut zeitgemäß ist, fühlt man sich als Hörer oft in die Atmosphären früher EBM- und Electro-Tracks der 80er zurückversetzt. Die Tracks sind nicht überladen, aus einer reduzierten Leere oder repetetiven Melodien erwächst eine Spannung, die das Album nicht unbedingt zum bestmöglichen Entspannungs-Soundtrack macht. So etwas kennt man in Einzelfällen auch von – interessanterweise nicht-kanadischen Bands wie – The Cassandra Complex, Alien Sex Fiend, The Klinik oder Christian Death, die mit nur wenigen Mitteln starke Beklemmung erzeugten. Dabei bleibt die Musik von Silk klar, er erzeugt seine Effekte trotz dezidierter Sampleeinsätze nicht mit harschen Dissonanzen oder plakativen Störgeräuschen. Leer heißt hier gottlob nicht dünn, die Tracks sind durchweg fett produziert und überraschen mit interessanten Sounds, darunter auch mal mit Streichern.
Für die Tanzfläche ist „Fractured Parts Of A Rotten World“ nicht geeignet, auch wenn einzelne Tracks mit Beats („Tolerance Is Freedom“) oder mit unterschwellig temporeichen Sequenzen („Political Breakdown“) an den Beinen zerren. Vielmehr kreiert Silk düstere Stimmungen, die in extremen Fällen („Destroyed Soul & Parished Mind“) ein ausgesprochen ungemütliches Gefühl erzeugen können, wenn sie nicht mindestens Trostlosigkeit oder die musikalische Umsetzung von subliminaler Furcht ausstrahlen. Das mag jetzt vielleicht nicht gerade wie eine Empfehlung klingen, aber dieser Gedanke ist Unsinn, schließlich schaut man sich ja auch Horrorfilme an, um dieselben Empfindungen zu erhalten. Und wie der Soundtrack zu einem solchen Film erscheint das Album auch.
An diesem Album arbeitete Silk einige Jahre lang. Freundliche Aufmerksamkeit erregte er nun dank der Samplerserie „EMC-15“ aus der BBCom-Schmiede, deren zweiter Teil jetzt online verfügbar ist. Die Mini-Auflage als CDr von Silks Album ist leider bereits vergriffen; wer es jetzt haben möchte, ist auf Downloads (iTunes, Bandcamp) oder Streams (Spotify) angewiesen. Mehr Infos zum Oeuvre des Kanadiers (inklusive seinem Nebenprojekt Cellular Circuit) sowie Links zu Download- und Streaming-Plattformen gibt es auf Facebook.