Von Matthias Bosenick (22.10.2024)
Ben Bekeschus dreht auf: Den dritten Teil seiner Compilation-Reihe „Durchströmungen“ mit dem Titel „Magnetschweben“ versieht der vielseitige Berliner Electro-Bastler mit einer Steigungskurve, die von ruhigem, chilligem Ambient aus die Bandbreite seines Spektrums abbildet, an Energie zulegt und über Minimal Electro, Downbeat und Hip Hop bei Big Beat und Techno landet. Als Basis dient ihm dieses Mal, wie beim ersten Teil, sein Alias Aus.Gleich, dem er eigene Tracks sowie Remixe anderer Künstler widmet. Ein Weckruf mit achtzigminütigem Anlauf!
„Kategorischer Inspirativ“ ist schon mal ein fantastischer Titel für den Opener, und weil der so toll ist, taucht er im Verlauf der 22 Tracks dieses Albums gleich weitere zweimal als Remix auf, und man kann nicht zwingend direkt sagen, dass es da jeweils explizit nachvollziehbare Brücken zwischen diesen Tracks gibt – aber dazu später mehr. Zunächst bleibt Bekeschus im chilligen Bereich, remixt sich einmal selbst, denn Tales Unfolding ist ein weiteres seiner Aliasse, das zudem bei der zweiten Ausgabe von „Durchströmungen“ im Mittelpunkt stand; das Original von „The Midnight Glowing Jellyfish Choir“, hier in der Version „Aus.Gleich Quallenschwarm“, eröffnet jene Zusammenstellung und ist darauf abermals zusätzlich geremixt zu finden. Einen umgekehrten Fall gibt’s überdies mit dem Track „Baumfreundschaften“, der auf Teil III als Original vorliegt und bereits auf Teil II als Remix.
Hier also zunächst elektronische Chill-Out-Sphären, „Mutterschiff“ mit weiblichen Stimmsamples, Ambient, Pop, leichte, zögerliche Dance-Anflüge. „Wir Nachtigallen“ sampelt wahrhaftig die im Titel genannten Vögel, der Amsel-Song „Aerial Tal“ von Kate Bush fällt einem dazu ein. Manche Tracks tragen Titel wie SciFi-Hörspiele – „Passagiere der Dunkelheit“ etwa – und könnten auch bestens als Soundtrack dazu herhalten.
Allmählich verschärft Bekeschus seine Sounds: Die Wiederaufnahme von „Kategorischer Inspirativ“ als „Recode Active Kategorie“ beinhaltet einen Snaresound wie aus dem Siebziger-Minimal-Electro, man meint, alsbald analoge Synthies knarzen zu hören, kombiniert mit modernen Effekten, und spätestens ab der „Aus.Gleich Gedankenspiele“-Bearbeitung des Tracks „What If Then“ von The Marx Trukker verhärtet er die Beats, wenn auch zunächst gebrochen, nicht straight clubby. „Generation Hoffnung“ bekommt den Dreivierteltakt, wie man ihn in analog aus dem Glamrock und in elektronisch aus dem Future Pop kennt. Der Track folgt sich selbst, nämlich als „Dub Diary Hope“, und ist dann clubby, trippy, dubby, inklusive technoider Effekte, etwa dem Synthie aus der „Pump Panel Reconstruction“ von New Orders „Confusion“. Ja, es geht voran!
Denn „Passagiere der Dunkelheit“, an früherer Position bereits zu hören und nun als „Dub Diary Passage“, ist beinahe schrill geraten und liefert Big Beats. Die Bekeschus in „Maskentänze“ zu Hip Hop vergenauert, den er wiederum zu einer Art Downbeat variiert; hier werden die Beats bereits wahrnehmbar fetter. Den Hip Hop behält er in der „Aus.Gleich Hymnus“-Bearbeitung des Tracks „Shinjuku“ von Terdion bei, den er zudem in den Neunziger-Eurodance drückt, man ahnt einen DJ Bobo im Hintergrund.
Die „Aus.Gleich Schwarmflug“-Variante des Tracks „Murmuration (Ciao Starling Darling)“ von Marco Trochelmann bietet einen trancigen Downbeat, der einen fantastischen Übergang liefert zur Fortsetzung von „Kategorischer Inspirativ“, hier als „Lunar Sunset Industries Inspiration“-Version – endlich gibt’s Dub, kombiniert mit trancigem Techno und Tribal-Effekten. Auch wieder nur die Vorbereitung für den nächsten Schritt: Bekeschus‘ „Palladium Particle Momentum“-Neubearbeitung von „Meditation im Moment“, im Original auf der ersten „Durchströmungen“-Sammlung „Glaswolken“ enthalten, ist ein spaciger Drum And Bass, alsbald versetzt mit Orchester zu treibenden Breakbeats. Die „Aus.Gleich-Station“ des Tracks „U9: Leopoldplatz“ von Argon aka Georg Lange nimmt den Druck etwas heraus, mit einem dennoch nervösen Beat, und dann folgt der Abschluss: „Tagflucht“ im „Anachronda Remix“ ist alles andere als der Ambient des Ausgangspunktes, vielmehr ein Weckruf, mit den fettesten Beats dieses Albums.
Sehr vielseitig also, mit einer Spannungssteigerung, die das breite Spektrum des Bekeschus’schen Schaffens spiegelt, indem er die Hörenden aus dem All auf den Tanzflur holt. Des Spektrums von Ben überdies, also Benjamin, der nämlich auch mal mit seinem Bruder Sander aka San Bekeschus in Erscheinung tritt. Und überhaupt vermutlich nicht nur als Aus.Gleich oder Tales Unfolding, das ist nicht so einfach herauszufinden wie die Tatsache, dass er Steel Tongue Drums vertreibt.