Von Matthias Bosenick (26.02.2025)
Mord. Gleich mehrfacher. Das ist im Universum der drei ??? eher unüblich, so es sich nicht um veraltete Bluttaten handelt, die die Juniordetektive aus Rocky Beach nachträglich überführen. Im Rausch der anhaltenden ???-Veröffentlichungsflut erhalten zwei Spin-Off-Serien jetzt neues Futter: Einmal die „Eine Interpretation“-Graphic-Novels mit „Justus Jonas“, dem zweiten Buch, das nunmehr der Auftakt zu einer Trilogie sein soll, ja, richtig gelesen, sowie mit „Gefährliche Gentlemen“ der fünfte Band der Reihe „Rocky Beach Crimes“ mit ermittelnden Nebenfiguren, hier Chauffeur Morton. Ersteres erdacht von Christopher Tauber und gezeichnet von Marius Pawlitza, zweiteres verfasst von Evelyn Boyd – beides jedoch leider auf unterschiedlichem Qualitätslevel.
Beginnen wir mit dem besseren Buch: „Justus Jonas“ setzt das vor fünf Jahren in die Welt geworfene „Rocky Beach – Eine Interpretation“ fort. Auch mit gewechseltem Illustratoren –Pawlitza trat für Hanna Wenzel an den Zeichentisch – bleibt der wunderbar düstere Noir-Stil erhalten, jetzt vielleicht etwas klarer als beim ersten Band, aber beide hard boiled, dunkel, ernsthaft. Das Erwachsene, das dem Auftaktbuch als Grundlage diente, findet hier eine Fortsetzung, in Inhalt wie in Darstellung, und das gelingt dem Autorengespann richtig gut.
„Justus Jonas“ – Eingeweihte wissen, dass es sich bei der Figur um den ersten Detektiv des Trios handelt, den schlauen, aber gewichtsbedingt unsportlichen – findet auf mehreren Zeitebenen statt, vor wie nach den Erfolgen des Schnüfflertrios. Man sieht zunächst, wie Justus in den Sechzigern als Kinderschauspieler in der Rolle als Baby Fatso für sein Dicksein gemobbt wird; das geschieht vor seiner Zeit mit Peter Shaw und Bob Andrews. Im Jahr 1975 hingegen liegt die Zeit mit diesen beiden bereits hinter Justus; Gründe dafür muss man aus dem „Rocky Beach“-Buch in Erinnerung behalten. Nun begegnet Justus als Achtzehnjähriger seinen ehemaligen Mitdarstellenden (dafür sollte man die Episode „Der gestohlene Preis“ aus seinem Hinterkopf verdrängen) und gerät in eine Szenerie aus Drogen, Alkohol und Sex, an der er indes nicht direkt teilhat, sowie – Mord, den er natürlich aufzuklären gedenkt. Dabei verwickelt er sich in eine Verschwörung um mehrere Todesfälle, die eigentlich ihn zum Ziel hat. Nächste Zeitebene ist das Jahr 1993, das quasi an „Rocky Beach“ anschließt; was Peter und Bob, die man aus dem Vorgängerbuch optisch in Erinnerung haben muss, um sie hier überhaupt zuordnen zu können, hier nebenbei bewegt, wird sich wohl in den folgenden zwei Büchern herausstellen, deren Titel man auch ohne detektivische Fähigkeiten ahnen kann.
Tauber und Pawlitza machen aus dem einst so vorwitzigen ersten Detektiv einen gebrochenen, depressiven, desillusionierten Mann. Zumindest 1993, wenn er mit Vollbart und stabiler Figur in Erscheinung tritt und sein Motorrad entmottet. Dieses Bild von Justus war schon im ersten Buch überzeugend, wie auch die Bilder der beiden Kollegen. Ja, so kann man sie sich als Erwachsene vorstellen. Auch 1975 sieht Justus akzeptabel nach Justus aus, ein leicht angerundeter junger Mann mit leichter Matte, der seine Hoffnungen noch nicht begraben hat. Auch Tante Mathilda und Onkel Titus sind glaubwürdig dargestellt; die vertrauten Personen überzeugen hier in ihrer Visualisierung mehr als in den Verfilmungen.
Schwierig zuzuordnen sind indes einige der Nebenfiguren; nicht alle entstammen dem Umfeld der „Kleinen Strolche“, und da ist es unklar, ob es sich um Neuerfindungen oder aus der Serie bekannte Charaktere handelt, trotz ähnlicher Namen. Ebenso schwierig sind manche Ideensprünge, die Justus absolviert – aber das macht der Fluss der Geschichte wett. Die Sprünge von Bob und Peter sind in der Zukunft als lösbar zu erwarten und somit ebenfalls kein großer Bremsklotz. Ein koksender Bob im Jahre 1975 lässt zumindest erwarten, dass es künftig kaum weniger hard boiled zugehen wird.
Erstaunlicherweise überzeugen Geschichten aus der fiktiven kalifornischen Küstenstadt zuletzt mehr, sobald sie nicht dem Hauptkanon zugehören. Die vielen Graphic Novels sind überwiegend gelungen, die Reihe „Rocky Beach Crimes“ ebenso. Zumindest bis zum fünften Band „Gefährliche Gentlemen“ – der leider nicht einmal Mittelmaß erreicht.
Dabei ist der Auftakt großartig: Wie in den anderen Fällen der Reihe gelingt es Boyd, die Nebenfigur schlüssig in die Position zu manövrieren, in einem Kriminalfall ermitteln zu müssen. Hier wird Morton von einem Geschäftsmann dazu verpflichtet, ihm für die Dauer einer Tagung in einem Hotel zur Verfügung zu stehen. Nun wird ausgerechnet dieser Geschäftsmann mit einem Dolch im Rücken im Raum einer Wahrsagerin aufgefunden, die einem parallel stattfindenden Esoterik-Kongress angehört. Die drei Fragezeichen sind – mal wieder, so muss das bei dieser Reihe – abwesend, zudem fand Morton Inspector Cotta nach einem Undercover-Einsatz vergiftet in dem Hotel auf und sieht sich nunmehr auf Eigeninitiative zurückgeworfen.
Eine wunderbare Ausgangslage für einen klassischen Whodunnit also. Doch leider versteift sich Boyd darin, Fanfutter zu liefern, indem sie absurde Nebenfiguren und sonstige Anspielungen unterbringen muss, anstatt die Geschichte spannend auszuarbeiten. Bei der Wahrsagerin handelt es sich nämlich um Patricia Osborne, die spinnerte Eso-Tante der wunderbaren Allie Jamison, die in „Die singende Schlange“ erstmals auftrat. Boyd lässt sie verlässlich spinnert agieren, als sie sich von der Verdächtigen zur Mitschnüfflerin mausern will und Morton einen besser zu seiner Aura passenden Vornamen erfindet.
Das geht ja noch. Morton kommt bald dahinter, dass es sich bei dem Gentlemen Club um einen Kreis von Verbrechern handelt, verbündet sich aber trotzdem mit dem brutalen Bodyguard eines Geschäftspartners seines neuen Auftraggebers – der Neffe des Toten –, als der nämlich ebenfalls zum Verdächtigen wird. Cotta kann vor seiner Krankenhauseinlieferung etwas von einem Koffer mit Stern flüstern und Morton findet den nämlich genau bei dem Neffen. Aber es gibt noch zwei solcher Koffer. Und lügende Hotelangestellte. Und einen zwielichtigen Anwalt. In dem Koffer machen die Schnüffelnden bald einen chemischen Kampfstoff aus und der genesene Cotta springt ihnen abermals undercover zur Seite, um den Täter zu stellen.
Auch das ist noch nicht alles. Morton lässt sich von Tante Mathilda einen Maulwurf bei den Cops vermitteln, den er dazu erpresst, sensible Daten herauszugeben. Morton nimmt den Kampfstoff in Hippiecamouflage an sich, indem der böse Bodyguard den Kofferraum des Luxusaustos knackt, in dem der Koffer untergebracht ist. Der Täter gerät dadurch aber nicht in einen Fluchtmodus, sondern muss umständlich auf einer Auktion überführt werden, auf der sich auch Victor Hugenay herumtreibt, der Gentlemanverbrecher und neben Skinny Norris Hauptgegner der drei Fragezeichen, der mit dem Fall hier allerdings rein gar nichts zu tun hat. Der unüberführbare Unterweltboss Mr. Grey ist außerdem Teil dieses Gentlemen Clubs, tritt aber nicht in Erscheinung. Weil Cotta verschwunden ist, übernimmt der bärbeißige, arrogante und unfähige Inspector Kershaw die Ermittlungen, seinerzeit von André Marx für „Poltergeist“ erfunden. Das Hotel, das dem Fall als Schauplatz dient, ist die Ranch des Roten Löwen aus „Der Doppelgänger“. Zuletzt treffen sich alle bei dem Finnen aus dem ersten Band dieses Spin-Offs im Café und futtern, nun, naja, es muss ja nicht immer Kirschkuchen sein, nech; unschöne Erinnerungen an „Die drei ??? Kids“ kommen auf. Und echt, post Morton in unbeobachteten Momenten zu „Bohemian Rhapsody“ von Queen, um mal seine britische Kühle abzulegen?!
Nee, bei aller Liebe und bei aller Freude, die man an den ersten vier Büchern – von Kari Erlhoff und Boyd je zur Hälfte verfasst – hatte, dieser Band geht sehr in die Hose. Es scheint, als wäre Fandienlichkeit oberster Anspruch der Autorin; das findet sich zwar in allen diesen Büchern, aber nicht so sehr wie hier zuungunsten der Geschichte. Und die ist hier viel zu dünn und hanebüchen. Egal, das sechste Buch wird sicherlich auch mitgenommen. Nach Tante Mathilda, Victor Hugenay, Kommissar Reynolds, Skinny Norris und nun Morton liegt die größte Spannung in der Wahl der Nebenfigur, die den Zuschlag der Hauptrolle bekommen wird. An böten sich: Allie und Jelena im Duo, Kelly, Liz und Lys im Trio, Bobs Vater bei der Zeitung, Peters Vater beim Film, Onkel Titus, Alfred Hitchcock, Dick Perry und Mrs. Bennett. Um Gottes Willen nicht: Clarissa Franklin, Mr. Grey, Rubbish George, Jeffrey oder Eudora Kretschmer.