Von Matthias Bosenick (27.11.2025)
Die Hörspielumsetzung des Adventskalenders „Gruselige Weihnacht überall“ wird ja einigermaßen überschattet von den vielen Pannen, die sich das Label Europa mit den Drei Fragezeichen erlaubt. Dabei tritt etwas in den Hintergrund, dass die Geschichte auch noch reichlich langatmig erzählt ist. Drei Stunden sind für diesen Fall einfach zwei zu viel – zumal sich die Inszenierung der Hörspiele ja in den zurückliegenden 25 Jahren von der Action aufs Gelaber verlegte. Während man dieses Hörspiel nun als Einschlafhilfe nutzt, kommt man gar nicht dazu, herauszufinden, ob sich darin nicht vielleicht sogar ein spannender Fall versteckt.
Das mit dem Weihnachtskalender hatte ursprünglich ja eine entsprechende Idee als Grundlage: Vom 1. bis zum 24. Dezember 2013 veröffentlichte das Label Europa täglich ein Hörspielfragment, das exakt das behandelte, was in der erzählten Zeit passierte. So hangelte man sich durch den 24tägigen Fall „Der 5. Advent“. Die „Gruselige Weihnacht überall“ ist nun bereits die sechste Hörspielumsetzung eines solchen Spezialbuches, während mit „O Geisterbaum“ das siebte Buch dieser Art vorliegt. Das mit den 24 Tagen hat sich längst erledigt, inzwischen sind es eher 24 Kapitel mit – in diesem Falle – streckenweise reichlich banalen Cliffhangern.
Darin steckt bereits das erste Manko dieser Folge: Sie streckt sich mit Wiederholungen, die beim Übergang zum nächsten „Tag“ den Anschluss zum letzten Cliffhanger bilden sollen und in einem stringenten Hörspiel nicht erforderlich wären. Drei Stunden müssen ja voll werden. Die nächste Möglichkeit, die Handlung auf solch lange Zeit zu strecken, ergibt sich inhaltlich, indem Figuren Prozesse verschleppen, etwa gleich zu Beginn mit dem vergessenen Erpresserbrief des Auftraggebers. Zum Verschleppen eignen sich auch ausgedehnte Banalitäten, etwa das Aufzählen der Suchanfragen, die Bob bei Google eingibt. Noch schlimmer: Man hört nicht mehr Bob sich Gedanken machen, sondern Axel Milberg als Erzähler, der endlos Füllmaterial absondert. „Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle“, jaja, schlimm genug! Und Peter schaltete die Taschenlampenfunktion seines Handys ein. Man wird so mürbe, dass man dem Verlauf nicht mehr folgt und gar nicht begreift, warum sie jetzt wen wofür verdächtigen. Und plötzlich gibt es sogar Action und man hat verpasst, was da gerade los war.
Plötzlich ist nicht das richtige Wort, das ist irgendwann um Tag 20 herum, das ist nicht so einfach zu ermitteln, weil man so abschweift. Denn auch ohne Erzähler sind die gesprochenen Passagen langweilig. Eine minutengenau nacherzählte Betrachtung von Überwachungsvideomaterial, spul zurück, da war was, was denn, ach da, ah, eine Katze. Die Reim-Aktion ist vielleicht schlagfertig, aber schleppend. So auch die Handlungsentwicklung: Es dauert bis Tag 6, bis „ein knochiger Pferdeschadel mit leeren Augen“ am Fenster zu sehen ist, also das Element, das der Geschichte den Titel gibt. Und das sofort in Tag 7 auch wieder an Grusel einbüßt. Am Ende von Tag 8 wird jemand ohnmächtig, weil vergiftet, wie sich danach herausstellt. An Tag 12 kommt endlich der Kern des Falles ans Licht.
Der handelt von einem Typen, der ein Weihnachtsmuseum eingerichtet hat und mit einer Auktion von weltweit zusammengetragenen Devotionalien die Weihnachtsdekosammlerszene zu sich einlädt. Er bekommt einen Erpresserbrief, der besagt, dass seine Hütte brennt, sofern der Museumsmann dem Anonymen ein bestimmtes Stück nicht aushändigt, und welches Stück gemeint ist, sagt er eben erst nach Ablauf der Hälfte der Geschichte. In der Folge dieser Folge entwickelt sich ein Wirbel um gefälschte Fälschungen, die in Wahrheit noch viel echter sind. „Wir sollten nicht mit dem Schlimmsten rechnen“, sagt Justus zu Beginn, und man fragt sich, warum nicht, macht er doch sonst immer, und gerade bei dieser Folge wäre es angebracht – in jeder Hinsicht.
Naja, fast. Der Reigen der Verdächtigen – die Auktionsteilnehmer aus aller Welt – hat so seine Besonderheiten, die jedoch im Gelaber verschwinden. Dafür bekommt man wie nebenbei diverse interessante Weihnachtstraditionen aus aller Welt genannt, aus den Niederlanden, der Mongolei, Polen, Wales, Italien und Deutschland. Derweil fällt es schwer, ein so europäisch dargebotenes Weihnachtsgefühl mit der Idee von Los Angeles bei 20 Grad im Dezember miteinander in Einklang zu bringen. Sei’s drum.
Eine gut ausgearbeitete Figur ist Michael Watkins, der ungekünstelt einen besonderen Sprachstil hat, indem er Wörter verwendet wie Pillepalle, Rambazamba, Trallala, Schwuppdiwupp, Krimskrams, Ratzfatz und Remmidemmi, was bereits beim ersten Wort auffällt, er durchzieht und stets so in seine Wortbeiträge einbaut, dass es nicht konstruiert wirkt. Sprecher Romanus Fuhrmann agiert da, als sei das seine reguläre Sprechweise. Unter den Sprechenden ist mal wieder Till Hagen, der bei „Offenbarung 23“ den Ian G. performte, das Alter Ego des Autoren Jan Gaspard, und das so überzeugend widerlich, dass man ihm den schmierigen Arsch bereitwillig abnahm. Das taten auch andere Hörspielproduzenten, weshalb er – wie einst Jürgen Thomann – seitdem stets auf die Rolle eines Täters festgelegt ist. Dabei würde man ihn auch gern auch mal als Netten, Guten hören.
Drei Stunden Hörspiel bringen Europa und Sony nun auf satten sechs LPs heraus, jeweils mit zwei Tagen pro Seite. Na, außer auf LP 5, da sind A- und B-Seite identisch, haha. Besten Dank: Der Preis dafür ist so üppig, dass dies eine gigantische Frechheit ist. Ganz abgesehen davon, dass das Hörspiel auch um zwei Stunden hätte gekürzt noch funktioniert hätte, möglicherweise sogar wesentlich besser. Streckenweise ist es so lahm inszeniert, dass man sich fragt, warum es die Parallelserie Die drei ??? Kids überhaupt gibt. Der Lösungs-Tag ist mit seinem gutgelaunten Gelaber wieder mal so lahm, dass einem die Hintergründe egal sind. In drei Stunden „Toteninsel“ oder „Geisterbucht“ passiert wesentlich mehr und ist man reichlich gefesselt. Hier höchstens ans Bett.
