Von Matthias Bosenick (12.12.2023)
Mit „Christeen“ und „Bad Devil“ warf Devin Townsends Solo-Album „Infinity“, das er nach seiner Bipolare-Störung-Diagnose erstellte, 1998 zwei gutgelaunte Power-Metal-Bretter ab, das ganze Album war überhaupt voller Mosthymnen – sowie Zappaesken und Ambienttracks. Weil er aber damals vom Label zu Eile gedrängt war, schafften es nicht alle seiner Songskizzen aufs Album; einiges erschien auf der „Infinity EP“, wieder andere Sachen als Bonus auf einer zweiten Auflage der CD. Bei Devin Townsend ist ziemlich klar, dass Songs, die er als Demo kennzeichnet, oftmals besser ausgearbeitet sind als andere Leute fertigproduzierte Alben, so auch hier. 2023 remastert Devin nun das Album, posiert abermals nackig fürs Cover – und bringt die verteilten Bonus-Tracks als gebündelte Bonus-CD heraus. Ein sammlerfreundlicher Fanservice, den er gern mit späteren verstreuten Songs ebenfalls vornehmen darf.
1997 stand Devin zwischen dem brachialen Album „City“ seiner Band Strapping Young Lad und seinem ersten Solo-Ausflug „Ocean Machine – Biomech“, einem trippigen Ambient-Metal, der so großartig ist, dass er ihn selbst in den folgenden 30 Jahren nicht mehr überbieten sollte, so gut seine Mucke auch ist. Dann erhielt er die Diagnose Bipolare Störung, die ihm, wie jede psychische Diagnose den Betroffenen mit den offenen Geistern, sein Leben erklärte, was er dann in „Infinity“ musikalisch zum Ausdruck brachte: die beiden Pole Heavy und Chillig finden ein kreatives Nebeneinander und mit „Noisy Pink Bubbles“ gibt es den ersten Vorboten seiner Country-Leidenschaft.
Am Album beteiligt waren heavy Größen: Von Fear Factory borgte Devin sich Christian Olde Wolbers aus, von ebendort sowie von Strapping Young Lad holte er sich Schlagzeuger Gene Hoglan dazu. So liest sich das nach mehr Härte, als „Infinity“ tatsächlich bietet; hier ist Devins Härte glatter, die Heaviness ordnet sich der Atmosphäre, der Emotion unter. Und seiner Experimentierfreude. Hart genug für Weichgesottene bleibt es dennoch.
Kurios ist die Veröffentlichungsgeschichte von „Infinity“: Die erste Version brachte Devin auf seinem eigenen Label Heavy Devy Records heraus, sie enthielt zehn Songs. Als InsideOut im gleichen Jahr das Album in sein Programm aufnahm, erweiterte das Label drei Songtitel (aus „Soul Driven“ wurde „Soul Driven Cadillac“, aus „Colonial Boy“ wurde „Wild Colonial Boy“ und aus „Dynamics“ wurde „Life Is All Dynamics“), diese längeren Titel übernimmt Devin für die 2023er-Version des Albums. Zudem hängte InsideOut an das Album die „Ocean Machine“-Songs „Sister“ und „Hide Nowhere“ als Live-Acoustic-Versionen sowie das später auch auf der Compilation „Ass-Sordid Demos 1990-1996“ veröffentlichte „Man“ als „’96 Demo“ an.
Hätte das Label nicht so gedrängelt, wären noch ganz andere Songs auf „Infinity“ gelandet, und vier davon schob Devin noch 1998 als „Infinity EP“ nach, auch „Infinity ∞ Christeen (Plus Four Demos)“ genannt. Diese vier und die drei vom InsideOut-Album ergeben nun die Bonus-CD der Neuauflage, und damit ist der Sammler glücklich, Devin vermutlich selbst auch. Darunter findet sich übrigens „Om“, das live ein Eigenleben entwickelte und in Devins Kopf ohnehin fester Bestandteil des „Infinity“-Albums war. Macht nochmal fast 40 Minuten Musik extra, also ein eigens Album – und es lohnt sich.
Ebenso der dritte Teil von Devins „Devolution Series“. Getauft „Empath Live in America“, auf dem der ganze Bombast jüngerer Livealben mal fehlt und die Songs, auch die eher unbequemen neuen, in einer angerauhten Version zu hören sind, mit gefühlt mehr Spielfreude dargeboten, weil weniger eingepfercht in den eigenen Ansprüchen. Inklusive einer „Fuck Around Section“ und einem „Gigpig Jam“ sowie gottlob nur wenig „Empath“. Kann man bestens zusammen bestellen mit der neuen „Infinity“.