Von Matthias Bosenick (11.08.2014)
Och, nö! Da lassen sich Ernst Horn und Alexander Veljanov satte vier Jahre Zeit für ihr zehntes Album als Deine Lakaien, und dann langweilen sie damit doch nur. Wieder, wie man inzwischen meint. Oder ist es nur der Hörer, der musikalisch weitergewandert ist und den larmoyanten Mollton einfach mal satt hat? Es erstaunt auch, dass das musikalische Produkt zweier dergestalt Versierter so banal erscheint. Nach all der Kollegenschelte sollte das Duo jedenfalls keine Steine in seinen Crystal Palace mitnehmen.
Wenn man es genau betrachtet, war seit 20 Jahren kein Album der Lakaien mehr umfassend überzeugend. Die ersten drei (inklusive dem 2003 veröffentlichten „1987“ vier) Alben reichen vollkommen aus, wenn man rundum exquisites Material von dem Duo haben möchte (okay, „Acoustic“ von 1995 sollte man auch noch mitnehmen). Danach stellte sich eine größere Aufmerksamkeit ein, die zu musikalischen Banalitäten, Selbstironie mit müdem Lächeln oder höherer Markttauglichkeit führten, die die Musiker zwischen ihre sehr wohl immer auch guten Songs setzten. Sie etablierten die getragene Ballade, und das ist das Problem: „Crystal Palace“ besteht gefühlt ausschließlich aus getragenen Balladen.
Horn und Veljanov kündigten an, den noch auf „Indikator“ verwendeten Bandkontext weglassen zu wollen und wieder elektronischer zu werden. Das weckte Erwartungen an krasse, teils harsche, experimentelle Sounds aus der Frühzeit des Duos. An Brutalität, Ausdrucksstärke, Energie, den Sturm auf die Bastille, vor allem, weil sie den ständig in Interviews kolportieren (dazu später mehr). Es weckte Erwartungen, dass auch das kürzlich veröffentlichte vorzügliche „Acoustic II“ seine Spuren hinterlässt. Was aber kommt, ist der Aufguss von Songs wie „Away“ (1996), „Return“ (1999), „Silence In Your Eyes“ (2002), „Vivre“ (2005), „Gone“ (2010) – und alle im ähnlichen Stil mit ähnlichen Melodien. Sie sind austauschbar, verwechselbar, langweilig. Gelegentlich sticht wie eine schrille Nadel ein schräger Keyboardsound heraus, der aber nicht nach Experiment klingt, sondern billig und nervig. Dazu jammert Veljanov im dunklen Timbre, und wenn er das mal nicht tut, darf Horn an seinen Knöpfen drehen, bis der Song weitergeht – so wiederholt sich der Aufbau der Stücke so gut wie übers gesamte Album.
In den Gruftgazetten lassen sich Horn und Veljanov über die mindere Qualität ihrer Genrekollegen aus und negieren dabei, selbst dazuzugehören, wenngleich sie außerhalb dieser so genannten Szene kaum bis keine Hörer haben. Mit ihrer Manöverkritik liegen sie grundsätzlich richtig, neue Gruftmucke ist seit Jahren furchtbar. Nur: Dann sollen sie es doch besser machen.
Der mitgewachsene Hörer fragt sich nun, ob es nicht auch an ihm selbst liegt, dass ihm die Lakaien nichts mehr geben. Dass er einfach nur aus der Grufthaltung herausgewachsen ist und sich musikalisch weiterentwickelt hat. Ja, das stimmt soweit. Aber dennoch: Die alten Lakaien-Sachen hört er ja noch gerne, und neue Alben alter Gruftbands – wie The Mission – ebenfalls. Das Fazit bleibt, dass die Fortentwicklung der Lakaien in Richtung gesetzter dunkler Edel-Langeweile und des Hörers Sehnsucht nach Sonne oder wenigstens einem effektvollen Gewitter nicht kompatibel sind. Eigentlich stellte der Hörer dies in den vergangenen 20 Jahren bei jedem Album der Lakaien fest, aber so ist das mit der Loyalität. Doch auch die hat irgendwann ein Ende.
Der loyale Sammler kann gleich auf mehrfache Weise zuschlagen: Es gibt das Album als limitiertes Digipak mit drei Liedern mehr, und die Doppel-LP-Variante bietet ebenfalls die 13 Tracks der limitierten Variante, inklusive des Digipaks. Das ist fair und rechtfertigt den hohen Preis beinahe. Die „Limited Fan Box“ hingegen braucht sicherlich kein Mensch.