Von Matthias
Bosenick (05.03.2020)
Einen zweiten Ausflug ins All (nach
„Hanni und Nanni go Space“) macht das Wuppertaler
Vollplaybacktheater dieser Tage, ebenfalls zum zweiten Mal (nach
„Pulp Fiction“) nicht auf Hörspielen basierend, sondern auf
Sci-Fi-Hits aus TV und Kino. Also: Zurücklehnen, Assoziationen
genießen, lachen, freuen, erinnern – und sich doch der Tatsache
bewusst sein, dass es das sympathische Ensemble mit den Drei
Fragezeichen noch am überzeugendsten hinbekommt. Ei, Käpt’n!
Zum Geleit für Uneingeweihte: Das Vollplaybacktheater ist genau das,
also ein Theaterensemble, das existierende Tonvorlagen laut abspielt
und auf der Bühne den Mund und sich selbst dazu bewegt, wild
verschnitten mit allen erdenklichen nahe- und fernliegenden Vorlagen.
Der muntere Assoziations- und Zitatereigen funktioniert mit einer
Grundhandlung am besten, das hat das VPT in den vergangenen 23 Jahren
gelernt. Hier verehrt eine wortlose Gruppe von Tentakelgesichtern ein
Artefakt, das ein böses Alien klauen will. Nachdem ihm die Crew
eines anderen Raumschiffs dazwischengrätscht und das Heiligtum
mitnimmt, klettert ein Tentakelkopf ins Raumschiff und verfolgt es
der Böse auf seinem Skateboard durchs All. Bis zur Klärung
sämtlicher Sachverhalte hat die Crew nun ausufernd Gelegenheit zu
allerlei Schabernack.
Sobald die Vorlage nicht so viel
Identifikationspotential und etwas weniger verwertbares Material
mitliefert, ist es für das VPT schwierig, flächendeckend zündende
Gags daraus zu kreieren. Sexualität, Tanzen und Verfolgungsrennen
sind dann die Schenkelklopferkompromisse, auf die das Publikum aber
dennoch abfährt. Das ist auch in Ordnung, weil hinter vielen
zusammengeschnittenen Zitaten immer noch haufenweise gelungene
Überraschungen stecken. Figuren aus „Star Wars“, „Star Trek“,
„Alf“ und „Captain Future“ tummeln sich in dem Raumschiff mit
der Hape-Kerkeling-Wortschöpfung „Hurz“ als Namen. Der Witz
liegt da in den überraschend passenden Dialogen und in den Details,
die dabei zutage treten: „Ich bin die Mutter eines Monsters“,
sagt Ripley mit Blick auf das Alien in ihrem Bauch, und Darth Vader
ergänzt, jenen streichelnd: „Ich bin dein Vater.“
Wie
immer verlangt das VPT dem Publikum einen sehr weiten popkulturellen
Horizont ab. Die Gewitter-Oma ertönt, die Eissorten klingen an, die
Fische aus Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“ untermalen die
morgendliche Begrüßung der Crew an der Stechuhr auf der Brücke,
der Tatortreiniger wischt das explodierte Gehirn eines Marsmenschen
aus „Mars Attacks!“ von der Scheibe, Vincent und Jules sprechen
über Burger und den Namen des Heimatplaneten des Tentakelkopfes,
„LJ“, verstehen nur diejenigen, die sich noch an Elliott aus
„E.T.“ erinnern können. Ganz ohne die Drei Fragezeichen geht es
gottlob nicht, da ist das VPT wie eine Band, die ihre großen Hits
spielt: „Ich bin hunderttausend Jahre alt“, sagt der Chinese Wong
aus „Der grüne Geist“, Paul Hartney aus „Die schwarze Katze“
stellt sich vor und Kommissar Reynolds befragt die drei Detektive
nach dem Tentakelkopf. Auch John Sinclair schleppt sich in einer
Gymnastikübung durchs Bild, „den rechten Fuß vor, das linke Bein
nachziehend“.
Und genau dann tritt zutage, dass die
Wuppertaler das Trio aus Rocky Beach am stärksten verinnerlicht
haben. Da passen die Schnitte aus den unzähligen Episoden, da sitzen
die Pointen, da geht auch das Publikum am meisten mit. Die
Rahmengeschichten aus der Hauptshow tragen etwas Willkürliches in
sich, das bei der Auswahl einer konkreten Hörspielfolge der Drei
Fragezeichen schlichtweg unmöglich ist. Aber dennoch: „Helden
der Galaxis“ funktioniert auch trotz einiger Längen und macht
Spaß, man nimmt diese Pause von den Detektiven gern in Kauf und
weiß, dass es sicherlich schon bald wieder mit Hörspielen
weitergeht. Die Kulissen sind vielleicht die detailreichsten der
Karriere, tragen aber auch mit der längst obligatorischen
Videoleinwand nach wie vor von anarchischem Charme. Man spürt auch
nach 23 Jahren noch die große Leidenschaft bei den
Wuppertalern.
Vollplaybacktheater-Touren seit 1997,
gesehen [verpasst]:
[– Das Geheimnis der Särge 1997]
[–
Der Superpapagei 1999]
– Die rätselhaften Bilder, FBZ
Braunschweig 1999
– Das Geheimnis der Särge, FBZ Braunschweig
1999/2000
– Das Leichenhaus der Lady L., FBZ Braunschweig
2000
– Toteninsel, FBZ Braunschweig 2000/2001
–
Toteninsel, FBZ Braunschweig 20.10.2001
[– John Sinclair meets
Hanni & Nanni 2002]
[– Hanni & Nanni go Space 2002]
–
Banditen, Bars & Butterbrote (Hanni & Nanni vs Edgar Wallace:
Das Gasthaus an der Themse), Jolly Joker Braunschweig 2003
–
Die singende Schlange, Brunsviga Braunschweig 21.10.2004
– Das
Gespensterschloß, Brunsviga Braunschweig 11.10.2005
– Der
Teufelsberg, Capitol Hannover 11.05.2006
– Der Superpapagei,
Staatstheater Braunschweig 09.05.2007
– Den rechten Fuß vor,
das linke Bein nachziehen Clubtour (John Sinclair: Das Horror-Schloß
im Spessart), Brunsviga Braunschweig 13.05.2008
– Die bedrohte
Ranch, Capitol Hannover 04.11.2008
– TKKG: Das Paket mit dem
Totenkopf, CD-Kaserne Celle 14.03.2010
– Der Karpatenhund,
Cäciliensaal Oldenburg 12.03.2011
– Die schwarze Katze,
Lindenhalle Wolfenbüttel 17.04.2012
– Niemals geht man so
ganz (Der Superpapagei), Lindenhalle Wolfenbüttel 26.11.2012
[–
Hinterm Horizont (John Sinclair: Das Horror-Schloß im Spessart)
2013]
– Pulp Fiction, Rudolf-Steiner-Schule Wuppertal
12.03.2015
– Der Phantomsee, Theater am Aegi Hannover
01.03.2016
– Der grüne Geist, CongressPark Wolfsburg
22.02.2017
– Das Gespensterschloß, CongressPark Wolfsburg
15.02.2018
– Sherlock Holmes und die Liga der
außergewöhnlichen Detektive, CongressPark Wolfsburg 14.03.2019
–
Helden der Galaxis, Lindenhalle Wolfenbüttel 04.03.2020