Dan Scary – Die EntSARGung – Dan Scary 2024

Von Matthias Bosenick (05.04.2024)

Aus der Gruft in die Gruft: Der Düsterpunk Daniel Url exhumiert sein zu Grabe getragenes Projekt Dan Scary und macht auf dem neuen Album „Die EntSARGung“ die Musik, die man von ihm kennt – elektronisch unterfütterten Dark-Wave-Punk, dieses Mal hauptsächlich Songs aus der Anfangszeit des Projektes neu eingespielt. Neu an Bord hat der Neu-Ostfriese nämlich mit Julian einen Schlagzeuger, damit wurde aus dem Duo, das zwischendurch ein Solo-Projekt und dann ein Trio war, wieder ein Duo. Der Sound hat sich dadurch natürlich verändert, dass jetzt kein Drumcomputer mehr den Takt vorgibt, und dennoch bleibt Dan Scary wiedererkennbar. „Die EntSARGung“ kann man zwischen The Cassandra Complex, The Cramps, Abwärts und Tommi Stumpff einsortieren. Schönes Gimmick: das übergroße Format der CD.

Weder um Modernismen noch um Genretreue schert sich Dan Scary: „Die EntSARGung“ könnte so auch schon in den Achtzigern entstanden sein und schon damals sämtliche Puristen verwirrt haben. Die Grundseele ist Punk, das Tempo mithin etwas flotter, doch arbeitet Url auch mit Synthies und Electro-Effekten wie weiland manche Dark-Wave-Bands, die ihrerseits mit den kombinierten Gitarren die Schubladen durchbrachen. Heute erinnert Dan Scarys Musik mehr an The Cassandra Complex oder The Fair Sex und weniger, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war, an The Sisters Of Mercy oder Red Lorry Yellow Lorry, der Umzug von der Autostadt an die See brachte einen neuen Mitspieler und eben einen Richtungswechsel mit sich: Da der Schlagzeuger echt ist, muss eben der Bass elektronisch sein, so kommt das.

Manche Songs bekommen mit dem Synthie gespielte, unrockige Intros („Hexenjagd“) oder begleitende Melodien, damit setzt Url den Bruch mit den Erwartungen fort. „Menschenfleisch“ hat einen von Synthies begleiteten Glam-Rock-Rhythmus, das Quasi-Titelstück „Entsargung“ verbeugt sich mit der Surfgitarre vor „Human Fly“ von The Cramps, „Für immer grau“ bedient sich bei dem typischen Rhythmus von Bo Diddley, „Land der 1000 Leichen“ kombiniert die Synthies von der NDW, den Beat von DAF und harten Rock. Zu allem singt Url in seiner angetieften, fordernden Stimme und gibt damit dem Gothic-Anteil den großen Ausdruck. Überdies transportiert diese Stimme Inhalte, angesiedelt zwischen persönlich und Weltekel, und es wird mehr als deutlich, dass Url auf die Menschheit keinen sonderlich großen Bock hat. Zum besseren Nachlesen bettet Dan Scary die CDr in ein überformatiges Buch mit allen Texten ein, das sieht gut aus im Regal.

Die Tracklist:

01 Entsargung (neu)
02 Land der 1000 Leichen (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 2“, 2014)
03 Hungrig im Grab (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 2)
04 Neonlicht (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 1“, 2013)
05 Lästerlied (von „Dunkelpunk aus Unterwelt“, 2017; hier sind einige der Songs ebenfalls bereits in anderen Versionen enthalten)
06 Nervenbahnenstagnation (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 2“)
07 Freiheit stirbt (von „Winter“-EP, 2015)
08 Hexenjagd (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 3“, 2016)
09 Menschenfleisch (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 2“)
10 Für immer grau (von „Als ich aufhörte zu schweigen, Kapitel 3“)