Von Matthias Bosenick (17.12.2024)
Von wegen, Death Metal ist einfach nur auf die Fresse. Man möchte das Wort nicht zwingend in diesem Kontext verwenden, aber das Wolfsburger Trio Cryptic Brood gestaltet seine Tracks durchaus progressiv, auch die neun neuen Stücke auf „Necrotic Flesh Bacteria“ sind in sich schon vielseitiger, als es manche brutalen Metal-Alben überhaupt sind. Und dazu auch noch auf einem musikalisch so hohen Niveau! Nicht zu vergessen der Humor – die Band bleibt im Genre, das sich blutig, eklig, widerlich darstellt, aber natürlich stets, um ein zweites zu vermeidendes Wort zu verwenden, mit einem Augenzwinkern.
Hier ist nicht nur alles drin, was man sich vom Death Metal der alten Schule wünscht, sondern noch so einiges mehr. Die Gitarre zwischen messerscharf und bleischwer, der Bass zwischen Galopp und Groove, das Schlagzeug zwischen Most und Jazz und der Gesang zwischen Keifen und Growlen. Nix davon am Stück durch, jeder Song hat seine eigene kompositorische Narration. Ein schweres Riff läutet etwa einen Track ein, dann schleppt sich das Schlagzeug zu einer Gitarre dahin, die auf einzelnen Sounds hängenbleibt, alles findet sich und brüllt dann irrsinnig schnell davon, dass den Hörenden der Nacken bricht, um dann in einen entspannt thrashenden Groove einzufallen, der in einer Art Doom ausrollt.
Zwischendurch zaubern die drei auch noch kunstvolle Instrumentalexponate, die aus beinahe filigranen Könnerschaften errichtet sind, irgendwo inmitten der Tracks in den Fluss eingebunden. In „Oozing Pox“ etwa reitet das Trio auf gestreckten Gniedelsounds herum, mit denen es Spannung erzeugt. In „The Pile Of Flesh Is Served“ gestalten alle drei ein kurzes fragiles Konstrukt, das sie ins Gebretter betten. Zwischendurch, wenn sich Gitarrist und Bassist austoben, zeigt der Schlagzeuger wie beiläufig, dass er mit seinem Können in einer Jazzband nicht unangenehm auffallen würde. Keine Angst: Es ist noch genug Material für den Circle Pit und das Headbangen enthalten!
Bei der „Necrotic Flesh Bacteria“ handelt es sich übrigens um das Streptococcus Pyogenes, von dem es heißt, es sei quasi fleischfressend. Willkommen bei Cryptic Brood: Hier kommt alles auf den Tisch, und sei es noch so eklig. Wenn es nicht gerade ein „Hallucinogen Poison“ ist, mit dem sich das Trio auseinandersetzt, dann bewegt es sich im „Realm Of Rot“ oder ist „Digging Through Skin“, bedient also die Folklore des Death Metal, die man sich ohne Humor nicht vorstellen kann. So muss das, nämlich, das Leben ist eben so, dass es keine Unversehrbarkeit garantiert, so bitter das auch ist, und bis es einen ereilt, treibt man damit eben seine Späße.
Im Oktober 2013 entstand mit „Morbid Rite“ das erste Demo von Cryptic Brood, 2017 gab’s mit „Braineater“ das Album-Debüt, fortgesetzt 2019 mit „Outcome Of Obnoxious Science“ und nun mit dem dritten Album „Necrotic Flesh Bacteria“. Dazwischen gab es noch diverse Singles und Split-Veröffentlichungen; da hat man als Sammler einiges zu tun. Seit elf Jahren ist überdies die Besetzung des sympathischen Trios unverändert: am Schlagzeug Steffen Brandes, am Bass Dennis Butzke und an der Gitarre Michael Lehner. Alle drei auch parallel und zuvor noch beschäftigt, Steffen aktuell mit Repulsive Feast und einst unter anderem mit Dissouled, Michael einst bei Purgamentum und Dennis aktuell mit Arcane Frost und Smoke Weaver. Ach, und: Es empfiehlt sich, das Vinyl zu kaufen – es ist in allen verschiedenen Darreichungsformen bunter als das Dasein!